Tischsitten geben Halt
Erstellt von r.ehlers am Dienstag 21. Februar 2017
-Bild:Andreas Praefcke –
Komplettes Tischgedeck mit Silberware (1880)
Für immer mehr Menschen haben Tischsitten kaum noch eine Bedeutung, während sie noch bis in die sechziger Jahre hinein weitgehend anerkannt und beachtet wurden. Bis dahin war es eine große Ausnahme, dass ein Mensch seine Mahlzeiten ganz allein einnahm, heute ist dies eine jederzeit offene Option, die für viele Menschen ganz die Regel ist. Selbst Menschen, die unter einem Dach wohnen, fnden nicht regelmäßig zum Essen zusammen. Sie haben unterschiedliche Arbeitszeiten und verschiedene Interessen, die entscheiden, wann und wo sie essen. Isst der Mensch dann ganz ohne einen Mitmenschen am Tisch, läst er meist viele oder alle Formen fallen, die er beim gemeinsamen Essen aus Rücksicht auf die anderen beachtet. Da nimmt man sogar nicht einmal Platz zum Essen, sondern isst im Stehen oder gar im Gehen.
Bedarf es besondereer Ausführungen, dass es auch für die Gesundheit einen Unterschied macht, ob man auf diese Tätigkeit konzentriert in Ruhe isst oder ob man das „so nebenbei“ erledigt?
Wenn man sich einmal anschaut, welche komplizierte Abläufe vom Zerkauen der Nahrung über ihre Verarbeitung in unseren komplizierten Magen bis zur Verstoffwechslung im sehr langen Dünndarm führen, wird einem klar, dass siese Abläufe leicht gestört werden können. Fehlendes Zerkauen verwehrt uns den Zugang zum vollen Inhalt der Nahrung. Schlingen fördert die Entstehung von Sodbrennen. Hektik schließlich schlägt einem bekanntlich auf den Magen. Sich auf vollen Magen schwer anzustrengen, ist fraglos ebenso verkehrt. Was ist im Gegensatz dazu ein freundliches Zusammensitzen am Esstisch, bei dem bewusst jeder Streit und Zank außen vor bleiben. Ob man für oder gegen Merkel. Schulz, Trump oder die nervigen neuen Nachbarn nebenan ist, bespricht man besser nicht bei Tisch. Die klugen Chinesen reden anders als die ungeduldigen Langnasen bei Tisch nie über Geschäfte.
Das Essen als ein soziales Ereignis tritt seit Jahrzehnten immer stärker in den Hintergrund. Auch da, wo noch in Gemeinschaft gegessen wird, wird es selten so zelebriert wie früher. Dabei genießen wir es alle, uns in Gemeinschaft um einen Tisch zu versammeln und das Zusammentreffen mit der pepflegten Einnahme von Speisen zu feiern. In einigen wenigen Familien ist dies noch heute Usus, hier und da sogar wie früher bei jeder Mahlzeit. In der großen Masse geht es aber nur darum, gleichwann und gleichwie den Magen zu füllen.
Eine Folge des unkoordinierten Essens in Wohn- und Lebensgemeinschaften ist, dass nicht regelmäßig für alle Teilnehmer der Gemeinschaft gekocht wird, bzw. dass einige frisch gekocht essen und andere nur Aufgewärmtes kriegen. Wenn jeder für sich isst, kommen leider auch viel zu häufig Fertiggerichte zum Zug, die der Haltbareit wegen stark mit Konservierungsstoffen versetzt sind.
Tischsitten sind ein Zeichen von Kultur. Ihre tiefere Bedeutung liegt aber darin, dass
- die gesittete Einnahme der Speisen in angenehmer Gemeinschaft den Menschen körperlich gesund hält – und ihm auch mental einen Halt gibt.
Man muss doch nur mal hinsehen, welches die tatsächlich im Alltagssleben vorkommenden Freuden sind! Nach grober Schätzung hat das zwischen 50 bis 80 Prozent mit dem Essen und Trinken zu tun. Es ist einfach so, dass das Leben ohne spürbare Freuden seinen Sinn verlieren würde, zumindest schwer erträglich würde.Natürlich gibt es daneben starke positive geistige Anregungen, als biologische Lebewesen brauchen wir aber auch greifbare Anregungen im Leben.