Migräne, die kommt und geht
Erstellt von r.ehlers am Mittwoch 17. Dezember 2014
Von: …e [mailto:…w@web.de]
Gesendet: Dienstag, 16. Dezember 2014 16:10
An: Rolf Ehlers
Lieber Herr Ehlers,
vielen Dank für Ihr nette Antwort.
Ich überlege schon eine ganze Weile, ob ich Ihnen mal schreibe. In den letzten Monaten habe ich mir alle Ihre Artikel durchgelesen und fand sie spannend und nachvollziehbar.
Ursprünglich hatte ich nach Informationen über Serotonin gesucht, um eine Antwort darauf zu finden, warum ich mal ein paar Jahre von der Migräne verschont war. In diesen Jahren bin ich dreimal in der Woche gelaufen (immer nüchtern vor dem Frühstück), habe regelmäßig Yoga gemacht und hatte auch allgemein wenig Stress. Seit 2007 hab ich ein Kind und auch wieder Migräne mit zunehmender Tendenz.
Uns, wir sind eine Migränefamilie, helfen Triptane sehr gut. Irgendwann hab ich angefangen, mich intensiver mit der Wirkungsweise dieser Medikamente zu beschäftigen, da ich an mir unschöne Entwicklungen erlebte (immer häufigere und längere Anfälle, regelmäßig sog. Wiederkehrkopfschmerz). Habe versucht, zu begreifen, was ich in den schmerzfreien Jahren anders gemacht habe und ob hier vielleicht ein roter Faden existiert, an dem ich ziehen könnte.
Sie werden das Ergebnis meiner Überlegungen kennen bzw. ahnen. Ich meine, dass alles irgendwie mit dem Serotoninstoffwechsel zu tun hat. Laufen hat neben anderen, besonders für Migräniker positiven Effekten (Stressabbau und Normalisierung des Insulinstoffwechsels), Einfluss auf den Serotoninstoffwechsel. (Ich habe übrigens nur selten ein Runners High erlebt, aber trotzdem hats offensichtlich funktioniert.) Und die Triptane machen ja auch nichts anderes, als Serotonin zu simulieren. Allerdings eben nur an ganz bestimmten Rezeptoren. Nach allem, was ich über den Serotoninstoffwechsel bei Migräne gelernt habe, muss das Laufen aber neben der Bildung von Serotonin noch andere Effekte haben, die dann letztendlich in der Summe dazu führen, dass die Migräneanfälle weniger häufig kommen.
Ich kann mein Leben nicht mehr so gestalten wie in den schmerzfreien Jahren. Mein Kind, das ich über alles liebe und die Familie und der Beruf haben nunmal Stresspotential. Deshalb bin ich auf der Suche nach Kompromissen, die die Migräne auf ein gut erträgliches Maß reduzieren.
Auch wenn wir in Punkto Migräne keine durchschlagenden Erfolge mit Aminas erzielen sollten (ich habe es meiner gesamten Familie „verordnet“, wenigstens zum ausprobieren), werde(n) ich (wir) es auf jeden Fall weiter nehmen, denn ich beobachte an mir den Effekt mit der Haut (ganz deutliche Verbesserung der Rosazea), auch ich bin nicht mehr so müde, fühle mich ausgeschlafen und leistungsfähiger. Mein Kind hat eine sehr empfindliche Haut, vielleicht sogar eine schwache Neurodermitis. Ich überrede es zweimal die Woche zu einer kleinen Portion Aminas und bemerke, dass das häufige Kratzen aufhört. Meine Eltern schlafen ebenfalls etwas besser.
Es ist schön, dass Sie Ihren Erfahrungen mit diesem Kuike auf den Grund gegangen sind und es macht Spaß, Ihren Blog zu lesen.
Auch Ihnen und Ihrer Familie ein besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in das neue Jahr!
Herzliche Grüße
…
Liebe Frau …,
ich danke Ihnen sehr dafür, dass Sie den Kontakt mit mir aufgenommen haben. Gerade der Austausch mit Menschen wie Ihnen, die nicht in den Tag hinein leben, sondern sorgfältig beobachten was um sie herum und besonders auch, was in ihnen vorgeht, bringen mich weiter.
Ich habe mir ja schon fast ganz abgeschminkt, dass einmal ein Mann (oder eine Frau) der Wissenschaft das Thema des Serotoninaufbaus angeht, damit das Wissen darum – und natürlich auch der Wirkungen von Serotonin im Krankheitsfall – ganz gründlich geprüft wird. Ich bin mir dessen ganz sicher, dass unzähligen Menschen das Leben erleichtert wird, wenn sie regelmäßig ihren zerebralen Serotoninspiegel anheben. Wie kann ich mir sicherer sein als dadurch, dass ich die entscheidenden Serotoninwirkungen beim Versuch mit einem dafür gar nicht gedachten chinesischen getrockneten Lebensmittelprodukt (KUIKE) geschenkt bekam?!
Sie gehören zu den wenigen Lesern meiner Bücher und meines Blogs, die die phantastische Koinzidenz der Ereignisse richtig ansprechen. Es trifft sich allerdings auch, dass Sie parallel zu mir viele meiner Erfahrungen teilen, besonders was den Ausdauersport und die Wirkungen des Verzehrs nativer Kost anbetrifft. Solange man aber keine Rückendeckung durch anerkannte wissenschaftliche Kapazitäten hat oder über die Medienmacht und einen Millionen-Werbeetat verfügt, ist die Verbreitung neuer Erkenntnisse mühsam. Da reicht es nicht einmal darauf zu verweisen, dass der mächtige vormalige Staatspräsident Chinas, Jiang Zemin, zum Kreis der Menschen wie Sie und mich gehören, die deutlich merken, dass es ihnen dank des regelmäßigen Verzehrs nativer Pflanzenkost auf leeren Magen sehr viel besser geht.
Ihre Informationen haben mich zum Entschluss geführt, mir im nächsten Schritt alles über die Triptane anzulesen. Ich werde dann in meinem Blog darüber schreiben. Da ich kein Mediziner und Pharmakologe bin, liegt es nicht nahe, so etwas zu tun. Aber es gibt so deutliche Überschneidungen bei der Wirkung der Triptane und der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer auf die Serotoninrezeptoren, dass ich hoffen kann, ein besseres Verständnis für die Ursachen der Migräne und der Dauerkopfschmerzen zu erlangen. Ich habe unverändert einen hohen Respekt vor der Leistung und dem Engagement der Experten. Ich weiß aber inzwischen, dass es sich lohnt, mit „gesundem“ Menschenverstand, besonders mit den Mitteln der anerkannten Logik deren Fragestellungen, Feststellungen und Schlussfolgerungen kritisch zu hinterfragen. An diesen wichtigen Punkten sind sie nämlich oft genug gar keine Experten, sondern machen ganz erbärmliche Fehler!
Ihr gedanklicher Ansatz zu überlegen, warum Sie migränefreie Jahre (!!!) hatten, ist der eines Laien. Ein „moderner“ Wissenschaftler würde so nie fragen, weil er nicht wüsste, wie er aus den dabei zu gewinnenden Erkenntnissen eine von der großen Wissenschaft anzuerkennende ergebnisbasierte Doppelblindstudie machen könnte. Aber IHr Denkansatz ist absolut richtig und kann Sie der Lösung näher führen als alle Medikamente. Ich bin gern bereit, mit über die Gründe nachzudenken. Dreimal in der Woche zu laufen (auch nüchtern, wie Dr Strunz empfiehlt), hat anscheinend mit dem positiven Ergebnis zu tun, ferner regelmäßiges Yoga und insgesamt weniger Stress. Die Summe der Bedingungen oder einzelne Wirkfaktoren können von besonderem Interesse sein. Ich würde zunächst am Laufen einsetzen. Sie sagen nicht, wie lange Sie immer gelaufen sind. Wenn Sie immer nur eine gute halbe Stunde gelaufen sind, können Sie nach meiner Einschätzung nur einen Teil des möglichen Serotoninaufbaus erlebt haben. Aus meiner Zeit als Langläufer weiß ich, dass mich das volle Hochgefühl erst packte, wenn ich eine Stunde oder mehr (oft viel mehr) gelaufen bin.
Man muss nicht unbedingt ein paar Mal in der Woche Yoga machen, um stressfrei zu werden. Natürlich ist Yoga eine der wirklich guten Hilfen dazu. Man kann sich aber auch eine entspannte Grundhaltung zulegen, auf Grund derer man jede Möglichkeit am Tage benutzt, bewusst ruhig zu atmen oder gar für eine Weile voll autogen entspannt zu sein. Nach meiner Erfahrung ist das viel wirkungsvoller als noch einen Programmpunkt Yoga oder was immer in den Tages- und Wochenplan einzubauen. Immer wieder Gelegenheit sich körperlich zu beschäftigen (Treppensteigen, Gehen statt Fahren, gelegentliches Schwingen auf dem Minitrampolin, häufiger Einsatz der Akupunkturmatte, Saunabaden etc.) entspannt auch sehr. Sie sind voraussichtlich von besonderem Wert, wenn im Tagesablauf immer wieder Anspannung und Entspannung sich abwechseln. Untätigkeit und Langeweile sind ja auch Stressfaktoren.
Sie sprechen auch von der Normalisierung des Insulinstoffwechsels. Bestimmt lindert es den Stress, wenn Sie Ihren Körper nicht mit zuviel Nahrung, besonders mit zuviel Kalorien, mit Zucker, Billigfett und zuviel Eiweiß belasten. Fehler in der Ernährung schaffen eine Stressgrundlast, gegen die man schwer ankämpfen kann. Darüber hinaus gibt es schwere psychische Stressgrundlasten, die aus der Zeit der Entwicklung unserer emotionalen Welt (wohl bis zum Beginn der Pubertät) in unser ganzes späteres Leben hineinreichen. Spätere Traumata können wir leicht auflösen und quasi wegrationalisieren. Dass in uns alte Schrecknisse lauern und jederzeit heimlich zuschlagen können, ist uns meist gar nicht bewusst. Wir müssen in unser Innerstes Selbst eindringen, möglicherweise durch die Begegnung mit unseren Träumen, die wir üblicherweise gar nicht ernst nehmen. Da sind alte Kulturen wie etwa die der Aborigines viel aufmerksamer.
In der kognitiven Verhaltenstherapie sehe ich oft eine Lösung bei den sonst unzugänglichen stressbedingten Störungen. Ich weiß von Fällen der schlagartigen Behebung fundamentaler Ängste (Platzangst, Flugangst), deren tiefe Ausgangslagen die sich in ganz kurzer Zeit aufdecken ließen sodass die Ängste sofort für alle Zukunft verflogen waren. Solche vertrackten emotionale Verwicklungen halte ich auch bei hartnäckigen Schmerzerkrankungen für denkbar.
Sie können Ihr Leben nicht mehr so gestalten wie in den stressfreien Jahren. Aber diese Jahre zeigen Ihnen wohl den Weg wie Sie auf andere, mit den heutigen Anforderungen verträgliche Weise, ganz von Migräneschüben frei kommen können. Sollten psychsiche Gründe mitspielen, können Sie damit rechnen, dass jetzt aufgelöste Auslöser nie wieder stören werden. Liegt es an der Versorgung oder der allgemeinen Lebensführung, müssen Sie da eben durchhalten.
Herzliche Grüße, ich hoffe wieder von Ihnen zu hören,
Rolf Ehlers
P.S.: Ich unterstelle, dass Sie einverstanden sind, dass ich Ihr Anschreiben und meine Antwort – natürlich anonymisiert – ins Netz stelle. Sie haben doch so viele Leidensgenpossen, die Informationen über mögliche Hilfen dringend brauchen.
D.O.