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Keine Intelligenz der Zellen

Erstellt von r.ehlers am Freitag 28. August 2015

Werfen Sie doch einmal einen Blick auf die Kundenrezensionen beim Büchermegaversand Amazon zum 2006 auch in Deutschland im KOHA Verlag erschienenen und immer wieder neu aufgelegten Bestseller von Bruce Lipton, „Intelligente Zellen. Wie Erfahrungen unsere Gene steuern.“

Aus den vorwiegend überschwänglichen Lobreden sind Meinungen hervorzuheben, dass das Buch  „eine Brücke (schlage) zwischen dem, was wir beweisen können und dem was wir sind, ohne das wir in der Lage sind, es beweisen zu können“, dass das Buch den Nachweis erbrächte, „wie genau Gedanken Einfluss auf unser Leben nehmen, und zwar in chemischer und physikalischer Hinsicht,“ und dass es erkläre „warum wir nicht tot sind, wenn wir gestorben sind!“

Produkt-Information

Der KOHA-Verlag kündigt das Buch so an:

„Warnung: Dieses Buch wird Ihre Vorstellung von den Auswirkungen Ihres Denkens und Fühlens für immer verändern.

Vielleicht haben Sie es schon geahnt, dass das Denken und Fühlen unser physisches Leben bestimmt. Jetzt können Sie sich sicher sein. Erstaunliche wissenschaftliche Erkenntnisse über die biochemischen Funktionen unseres Körpers zeigen, dass unser Denken und Fühlen bis in jede einzelne unserer Zellen hineinwirkt. Der Zellbiologe Bruce Lipton beschreibt genau, wie dies auf molekularer Ebene vor sich geht. In leicht verständlicher Sprache und anhand eingängiger Beispiele führt er vor, wie die neue Wissenschaft der Epigenetik die Idee auf den Kopf stellt, dass unser physisches Dasein durch unsere DNS bestimmt würde. Vielmehr wird sowohl unser persönliches Leben als auch unser kollektives Dasein durch die Verbindung zwischen innen und außen, zwischen Geist und Materie gesteuert. Eine Erkenntnis, die, logisch weiter gedacht, auch weiterreichende spirituelle Konsequenzen hat.“

Bruce Lipton ist ein Zellbiologe, der es in der akademischen Hierarchie der akademischen Biologie bis zum Professor an der Universität Wisconsin brachte und dann bald alles hinwarf, weil er, wie er erklärt, dem Irrglauben der Standardlehre nicht mehr folgen konnte, dass das Leben der Zellen durch ihre Gene bestimmt würde. Er nimmt für sich in Anspruch erkannt zu haben, dass das Leben jeder Zelle durch ihre physische und energetische Umgebung bestimmt werde bzw. dadurch, wie die Zelle intelligent darauf reagiere. Er ist der Meinung, dass es ein durchgehendes Prinzip des Lebens sei, dass es nicht genetisch festgelegt sei, sondern durch die Reaktion der lebenden Wesen – Zellen wie auch der Menschen – auf die Umweltreize, die das Leben antreiben, bestimmt werde..

Den Streit zwischen den Verfechtern wesentlicher genetischer Determiniertheit des Lebens und denen, die den Umwelteinflüssen das größere Gewicht einräumen, gibt es schon sehr lange, aber kaum jemand sieht krass allein die Geltung der Erbanlagen oder der Umwelt auf die Entwicklung der Lebewesen. Lipton baut sich da einen Popanz auf, den er dann genüsslich abschießt. Er ist so klug, nicht jede genetische Determiniertheit zu leugnen. Ohne viel von den Ergebnissen der in andere Richtung zeigenden Zwillingsforschung zu reden, erklärt er nur, dass die äußeren Einflüsse weit mächtiger seien. Wenn man seine Art zu argumentieren kritisch betrachtet, fällt auf, dass der auf typisch esoterische Weise laufend zwischen vagen Mutmaßungen und dezidierten Behauptungen in denselben Fragen wechselt.

 

 Falsche Mythenbildung

Lipton gibt die Marschrichtung seines Denkens schon im Prolog (S. 14) vor. Er erklärt, dass das große menschliche Gehirn, das die Welt aus einer Vielzahl von Perspektiven wahrnehmen könne, „eine etwas komplexere Wahrnehmung als eine einzelne Zelle“ hätte. Aber die Wahrnehmung der Umweltreize der Zelle und ihre Reaktion darauf bestimme ihr Verhalten und nicht das Programm ihres Genoms, das auf der Doppelhelix im Kern jeder einzelnen Zelle eingebrannt ist. Lipton nimmt für sich in Anspruch, dass er mit „bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen“ alte Mythen zerstört und ein neues Verständnis der menschlichen Zivilisation entwickelt hätte. Wörtlich:

„Die Überzeugung, wir seine störanfällige biomechanische Maschinen, die durch unsere Gene gesteuert werden, weicht der Erkenntnis, dass wir machtvolle ‚Erschaffer‘ unseres eigenen Lebens und unserer eigenen Welt sind.“

 

Verdrehung der Darwinschen Lehre

Lipton erklärt, dass nach Darwins Lehre die individuellen Anlagen von den Eltern an die Kinder weitervererbt würden. Das gibt Lipton völlig richtig wieder, es entspricht ja auch seiner eigenen Meinung. Dann aber unterstellt er Darwin völlig zu Unrecht, dass er meine, dass damit nicht nur die äußere Erscheinung der Wesen bestimmt und Instinkte weitergegeben würden, sondern dass diese „Erbfaktoren“ ihr ganzes individuelles Leben bestimmten. Natürlich hat es als Reaktion auf die Evolutionsbiologie philosophische Überlegungen gegeben, ob nicht durch die Erbanlagen fatalistisch das ganze Leben vorgezeichnet sei. Letztlich ist aber praktisch niemand dieser Meinung gefolgt, insbesondere auch Darwin nicht. Lipton erklärt sogar die Behauptung, dass die Gene unser Leben bestimmten, zum zentralen Dogma der Biologie, das er – natürlich –sofort mit der Erkenntnis widerlegt, dass Gene sich nicht selbst an- und abschalten könnten (S.25). Er verweist auf die neue Wissenschaft von der Epigenetik, die die molekularen äußeren Mechanismen beschreibe, die die Genaktivität steuerten. Woher weiß er dann all das, wo die Epigenetik doch bis heute nur weiß, dass bestimmte Gene erst eingeschaltet werden müssen, um ihr Programm zu entfalten. Aber alle?

Lipton erklärt ganz stolz: „..in den letzten zehn Jahren habe ich im Verhältnis zur allgemein anerkannten Wissenschaft noch radikalere Standpunkte entwickelt.  … Ich glaube, die Zellen lehren uns nicht nur etwas über die Mechanik des Lebens, sondern zeigen uns auch, wie wir ein reiches, erfülltes Leben führen können.“ Wir Menschen hielten uns vielleicht für Individuen, als Zellbiologe könne er uns aber versichern, dass jeder Mensch „eigentlich eine kooperative Gemeinschaft aus ungefähr 50 Billionen einzelligen Mitgliedern“ bilde. Er rätselt, ob menschliche Wesen nicht einfach das Ergebnis eines „kollektiven Amöben-Bewusstseins“ sind und krönt diese Spekulation mit der Feststellung:

„So, wie eine Nation den Charakter ihrer Landsleute wiederspiegelt, so spiegelt unser Menschsein die grundlegenden Charakteristika der zellulären Gemeinschaft wieder.“

 

Intelligente Zellmembran?

Lipton erklärt die Membran der Zellen zum „eigentlichen Gehirn der Zellfunktionen“ (S. 29, 84). Die Zellmembran hat tatsächlich sehr raffiniert geregelte Wege, die Zelle zu schützen und doch die nicht benötigten Stoffe durch sie hinaus und die benötigten Stoffe in die Zelle hinein zu schleusen. Aber was ist das für eine unsinnige Rede, ihr deswegen eine Art Intelligenz anzudichten? Aber jede Ameise, die ihr ganzes Leben lang nach dem ihr einwohnenden Programm auf die Einflüsse von außen reagiert, ist im Zweifel intelligenter als eine einzelen lebende Zelle.

Es ist eben modern geworden, von Gehirnen überall im Körper zu reden, vom Bauchgehirn, vom Herzgehirn, warum dann nicht auch vom Zellgehirn oder gar dem Gehirn in der Zellwand.. Wenn die Sprache nicht mehr vorgeben soll, welches der Inhalt von Begriffen ist, kann man natürlich jedes interssante Verhalten als intelligent kennzeichnen. Wenn aber jeder seine eigenen Begriffe macht, können wir uns nur noch wechselseitg etwas vormachen und können uns nicht mehr verstehen.

In der Normalsprache wie auch in allen Fachsprachen ist anerkannt, dass Intelligenz eine hohe kognitive Leistungsfähigkeit voraussetzt, wobei die Intelligenz ein Hirn mit einem bestimmten Hirnvolumen voraussetzt.Es gibt viele Nervenvernetzungen wie z.B. den Solar Plexus, die auf äußere Reize unterscheidliche Reaktionen kennen. Ein Hirn liegt aber erst vor ab einem hohen Grad der komplexen Vernetzung interagierender Neuronen.

Noch träumt niemand davon, auch den Nieren, der Bauchspeicheldrüse, der Leber , swe Gebärmutter, den Eiestöcken und den Hoden (!) eine eigene Intelligenz zu unterstellen. Wenn man aber jeder einzelnen unserer von Experten bis an 100 Billionen geschätzten Körperzellen ein intelligentes Verhalten zuspricht, darf man diese Organe bei der Preisverleihung nicht außen vor lassen. Sie alle nehmen auch vielfache Einflüsse und Reize von außen differenziert auf und  regieren darauf. Warum soll man dann nicht auch die Mitochondrien für intelligent erklären, von denen wir ja Tausend mal mehr als Körperzellen haben und warum nicht auch die unzählbaren Pflanzenzellen?