Gegen die Diskriminierung: Fettsucht ist das falsche Wort!
Erstellt von r.ehlers am Freitag 25. Mai 2012
Sachbezug: Körpergewicht
In der deutschen Sprache assoziieren wir wegen der Wortgleichheit die Sucht mit der Suche nach etwas. Wer etwas sucht, ist süchtig. Von der Entstehungsgeschichte her ist das ein Fehlschluss, weil das Wort „Sucht“, das vom germanischen „suhti“ stammt, auf „siechen“, also an einer Krankheit zu leiden, zurückgeht. Diese Wortbedeutung ist indessen veraltet und hat dann doch dem Verständnis Platz gemacht, dass der Süchtige krankhaft nach einem besonderen Erleben sucht, obwohl ihm voll bewusst oder zumindest innerlich klar ist, dass es unvernünftig und schädlich ist. Es hat sich eingebürgert, unter den Suchtbegriff neben stofflichen Abhängigkeiten wie Alkohol und Drogen auch nichtstoffliche Abhängigkeiten wie die Spielsucht zu fassen.
Aber ist der Grund dafür, dass jemand stark übergewichtig, also fettleibig geworden ist, eine Fettsucht, von der im allgemeinen Sprachgebrauch und auch in der Medizin gesprochen wird?
Beim Alkoholsüchtigen weiß man, dass er nach dem Rausch sucht. Der Spielsüchtige sucht den Nervenkitzel beim Spiel mit dem Glück. Aber der Fettleibige sucht doch nicht danach, Fettpolster aufzubauen! Er liebt seine Fettmassen nicht und will sie auch nicht mehren. Zudem ist das doch keine Suche nach irgendetwas, wenn man keine Essenszeiten einhält, dadurch nie in die Phasen der Fettverbrennung kommt und dadurch immer mehr Körperfett aufbaut. Man sucht doch nicht nach unvernünftigen Essenszeiten, man hat nur eben keine Ahnung, dass man sich schadet, wenn man zu häufig isst.
Nicht anders geht es dem, dem sein Hunger einen Strich durch die Rechnung macht, wenn er stundenlang auf die nächste Mahlzeit warten muss. Wer Bescheid weiß, sucht vielmehr, die Essenszeiten einzuhalten, schafft es nur nicht, weil der Hunger eine solche hormonelle Urgewalt ist, dass er sie allenfalls mal eine begrenzte Zeit lang im Zaum halten kann.
Allenfalls das Verhalten der Menschen, die psychisch zum Essen aus Lebensfrust oder aus der Gier nach Lebensfreude getrieben werden, kann man als süchtig zu qualifizieren. Denn da sind Menschen wirklich auf der Suche nach etwas und können davon nicht lassen, obwohl die Schädlichkeit der zwanghaften Suche offenbar ist.Man sollte daher, wenn man die Getriebenheit der Betroffenen kennzeichnn will, durchaus von einer Esssucht sprechen.-
Keine der zum starken Übergewicht führenden Verhaltensweisen, auch nicht die auf Grund besonderer psychischer Auslöser, ist indessen im moralischen Sinne vorwerfbar. Die in der Allgemeinheit sehr häufig anzutreffende Verurteilung stark übergewichtiger als willensschwach beruht auf völliger Unkenntnis der Zusammenhänge. Dumm und unmenschlich sind auch die wiederholt öffentlich vorgetragenen Vorschläge, Übergewichtige zu erhöhten Krankenkassenbeiträgen heranzuziehen. Man kann man Kraftfahrzeuge nach Standort und anderen Risikofaktoren unterschiedlich mit Steuern und Versicherungsprämien belegen, aber nicht doch Menschen, die in unserer Zeit, in der die Lösung der Probleme des Übergewichts noch weitgehend unbekannt sind, den Kürzeren gezogen haben!
Wir sollten den diskriminierenden Begriff der Fettsucht ganz aus dem Sprachgebrauch streichen, schon deshalb, weil die Verfettung des Körpers ja wirklich von keinem Betroffenen angestrebt ist, ferner deshalb, weil diese Qualifizierung praktisch keine verwertbaren besonderen Auswirkungen hat. Adipositas heißt ja auch Fettleibigkeit (engl. obesity) und nicht Fettsucht.