Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Ernährungsneurotische Gesellschaft

Erstellt von r.ehlers am Donnerstag 18. Juni 2015

Jahrzehntelang und bis heute wurden wir von der Werbung für Nahrungsergänzungen und Medikamente, die auf Wirkstoffe aus der Nahrung setzen, regelrecht verrückt gemacht mit nicht enden wollenden Erklärungen über den gesundheitlichen Wert  besonderer Lebensmittel. In den letzten 15 Jahren habe ich Tausende von Menschen kennengelernt, die aus ihrem Interesse an gesunder Ernährung eine regelrechte Wissenschaft, eine höchsteigene Oecotrophologie, gemacht haben. Sie wissen (fast) alles über jedes einzelne Vitamin, insbesondere seine Bedeutung, seine Quellen und unseren Bedarf daran. Gleiches gilt natürlich für alle anderen Nahrungsinhaltsstoffe. Die Quellen werden immer umfangreicher, die Zutaten werden immer exotischer und angeblich auch ihre gesundheitliche Bedeutung.

-de.wikipedia.org-

Moringa ovalifolia

Allein mit heimischen Produkten gibt sich heute kaum ein gesundheitsbewusster Mensch zufrieden. In seinem mit Nahrungsergänzungsmitteln und ergänzend mit entsprechendenen Medikamenten übervollen Schrank haben sich nacheinander eingefunden Ginseng, Gingko, Granatapfel, Shiitake, Miitake und Coryceps-Pilze (getrocknet), Aloe, Algen, Acerola, Acai, Goji und viele tolle Sachen mehr. Zum Beispiel Moringa, über das wir nach der Werbung unbedingt alles wissen müssen, wo es doch die beste bekannte Vitamin C-Quelle ist.Verstehen Sie mich nicht falsch: Nichts davon ist nicht besonders wertvoll.Andereseits ist jedes einzelne dieser Lebensmittel nicht unverzichtbar. Hat eines mehr Vitamin B 1 als andere, muss man doch nur ein wenig mehr vom anderen essen, um auf denselben Level zu kommen!

Auf die Auswahl besonderer Lebensmittel kommt es nicht an.

Das ist sogar die Meinung der von vielen Seiten kritisch gesehenen halboffiziösen Deutschen Ernährungsgesellschaft e.V. (DGE), die aber doch wenigstens da Recht hat, wo ihre Meinung zweifelsfrei nachvollziehbar ist. Sie findet aber keinen Glauben bei den vielen sehr gesundheitsbewussten Menschen, die die Auswahl der ihnen Gesundheit schenken sollenden Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel immer mehr vergrößern wollen.

Wenn es aber nur die übertriebene Sucht nach besonderen Lebensmitteln und ihren Inhaltsstoffen wäre! Wir haben in den vergangene Jahrzehnten ganze Wellen an Ernährungsvorschlägen erlebt, die quer durch das ganze Volk gegangen sind und fast jeden von uns irgendwie berührt haben:

Erster Sünder, den wir unbedingt meiden sollten, war das Fett Cholesterin.Es dauerte lange, bis wir dann noch lernen durften, dass es gutes und schlechtes Cholesterin gibt, bis dann diese Information 2005 abgelöst wurde vom Wissen, dass Fett ein notwendiger Bestandteil unserer Ernährung ist und gar nicht gefährlich ist, wenn wir nicht allzuviel davon verzehren (gleich ob HDL oder LDL).Hartnäckig halten sich aber die Light-Produkte in den Regalen der Geschäfte.

Dasselbe Spielchen lief bei Milch- und Milchprodukten. In unseren Breiten gibt es nur wenige Menschen, die Milchzucker schlecht abbauen können, aber an laktosefreier Milch und Käse lässt sich mehr verdienen als an normaler.

Die nächste Sau, die durch das Dorf gejagt wurde, ist das Getreide, das aber in Wildform schon vor 2,5 Millionen Jahren Bestandteil der Nahrung unserer Vorläufer war.Aber einige wenige Menschen leiden an Zöliakie (bei Kindern: Sprue) und können das in vielen Getreiden enthaltene Gluten nicht vertragen. Also wird jetzt jedem Käufer nahe gelegt, gleich glutenfrei zu essen, auch wenn er mit dem Klebereiweiß kein Problem hat. Dazwischen funkt noch die in ihrer Begründung nicht nachvollziehbare Steinzeit (Paleo)-Diät, die vom Verzehr jeglichen Getreides abrät, weil wir erst nach der Steinzeit viel davon zu essen gelernt haben und uns angeblich noch nicht daran angepasst haben.

Werblich sehr aktiv sind Vegetarier und Veganer, die vom Konsum tierischer Produkte abraten. Sie haben zwar Recht, dass – mit Ausnahme von Vitamin B 12 – nichts von der tierischen Nahrung nicht bequem durch Pflanzenkost ersetzt werden kann. Ein nicht übertriebener Verzehr von Fleisch, Fisch  und Milchprodukten ist aber auch nicht kontraproduktiv. Im vorliegenden Kontex erwähne ich die Vegetarier und Veganer, vor denen ich wegen ihres Einsatzes für unsere tierischen Mitgeschöpfe höchsten Respekt habe, dennoch, weil auch diese Bewegung wieder Regeln aufstellt, die die Öffenlichkeit beachten möglischt auch noch soll.

Die Summe der Vorschriften, sie wir beim Essen einhalten sollen, ist damit noch lange nicht am Ende. Fast keine Krankheit wird nicht irgendwie beeinflusst durch Komponenten aus der Nahrung, z.B. Magnesium bei Wadenkrämpfen.Sicherlich ist altes Heilwissen wie das der Hildegard von Bingen oder der Maria Treben aus dem österreichischen Grieskirchen von einem Wert, der nur mit dem Wissen aus dem Ayurveda und der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) vergleichbar ist. Dieses Wissen über die Heilkraft der Ernährung ist aber nicht geeignet für jeden normalen Esser. Es ist auch nicht richtig, ihm das ständig anzubieten. Um zuverlässig heilen zu können, muss man ohnehin sehr viel mehr wissen als nur den einen oder anderen Kausalzusammenhang zwichen Krankheit und möglichem Hilfsmittel zu kennen.

Getoppt wird all das durch die unablässige und immer dümmlicher werdende Werbung für bestimmte Lebensmittel, die angeblich den abnehmen lassen sollen.Auch diesen Unsinn sollen die Konsumenten „schlucken“. Extremstes Beispiel ist die tägliche mit ein wenig nackter Haut aufgepeppte Werbung für das alberne Eiweißpulver Almased bis direkt in die Zeit vor den Abendnachrichten. Seit Jahren weise ich auf diesen Übelstand hin und habe auch den Kontakt zur zuständigen Staatsanwaltschaft aufgenommen, s. http://www.essenspausen.com/almased-irrefuehrungen/. Ich werte es als eine Facette unserer ernährungsneurotischen Gesellschaft, dass sie es nicht einmal schafft, mit den reichlich vorhandenen Mitteln des Rechtsstaats solche Missstände zu beseitigen.

Weitreichende schädliche Wirkungen haben auch andere Diätvorschläge, wie sie uns seit der Zulassung der Werbung im Fernsehen und dann aber auch in allen Illustrierten und Programmzeitungen zu Hunderten vorgestellt worden sind. In meinem kleinen Buch „Essenpausen“, Via Nova, 2012 bin ich dem Gro von ihnen mal nachgegangen. Wegen des werbewirksamen Slogans hat sich die Idee vom „Schlank im Schlaf“ bei sehr vielen Kosnumenten im Kopf festgesetzt, s. http://www.essenspausen.com/schnapsidee-trennkost-schlank-im-schlaf/.Wie oft werde ich mit fragendem Unterton um meine Meinung gebeten, ob man überhaupt nach 18.00 Uhr noch etwas essen sollte, insbesondere solle man dann gar keine Kohlenhydrate mehr essen! Wir können das ohne Schaden so halten wir alle Südeuropäer, die abends essen wann sie wollen – auch spät – und sich dann direkt zum Schlafen legen.

Sehen Sie zum Vergleich auch:

http://www.essenspausen.com/wolln-wir-das-wissen-muessen/