Erolgreiche Prokrastination
Erstellt von r.ehlers am 28. Juni 2019
Grafik:karrierebibel.de
„Was Du heut‘ nicht kannst besorgen, das verschieb‘ getrost auf morgen“
Klingt das „Verschieben auf morgen“ (lat. pro= für, cras=morgen) nicht viel netter als der notorische Vorhalt, doch ja keine Arbeit, die man auch gleich erledigen kann, auf „später“ bzw. auf den nächsten Tag zu verschieben? Und haben wir es nicht alle wiederholt im Leben erfahren, dass eine lästige Arbeit, die wir vor uns her geschoben haben, sich als ganz einfach erweist, wenn wir sie nach einer mal kurzen, mal langen Arbeitspause angehen?
Seit eh und je haben die Alten den Freiheitsdrang der Jungen kritisiert, die sich nicht in das Korsett zeitlich streng kontrollierter Arbeit oder Beschäftigung pressen lassen und lieber schon den Tag zeitweise träumerisch verbringen wollen. Bis heute befleißigen sich meist Eltern. Lehrer und Psychologen/Psychiater damit, die „faulen“ Jungen zu schelten, wenn sie nicht alsbald an die Arbeit gehen, die ihnen aufgegeben wurde. Mit Zwang und Drill erreichen sie bei ihnen, wenn schon nicht eine bessere Folgsamkeit, so doch, dass sie wenigstens ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie Arbeit nicht gleich erledigen sondern vor sich her schieben.
Nur am Rande: Vergleichbar mit der Schelte über das Verschieben von Aufgaben ist die Disqualifizierung der Menschen, die sich einfache Lösungen von Problemen einfallen lassen als „Dünnbrettbohrer“. Aber wie dumm ist denn das, wenn jemand darauf besteht, komplizierte Standardwege zur Problemlösung zu begehen, wo es doch schnelle kurze Wege zum selben Ziel gibt?!
Natürlich ist die häufige Gewohnheit vieler Menschen zu beklagen, anstehende Arbeiten grundlos ständig vor sich her zu schieben. Gegenüber dieser Seuche ist es sogar angebracht, einmal nach einem selbst errichteten Tagesplan zu leben, in dem die Arbeitszeiten festgeschrieben sind. Je nach Art der vorliegenden Arbeit ist es aber sehr oft angesagt, bewusst nur so weit in die Probleme einzusteigen, wie es ohne krampfhafte Bemühung gelingt und sich anderen Dingen zuzuwenden bis einem selbst die Zeit reif scheint, sich die Sache noch einmal anzusehen.
Horaz hat mit seinem berühmten Wort „carpe diem“ übrigens nicht gemeint, dass man jeden Tag alle anstehende Arbeit ohne Verzug erledigen sollte, woran man denken muss, wenn man übersetzt: „Nutze den Tag!“ Bei richtiger Übersetzung heißt es nämlich: „Genieße den Tag!“ Das indessen kann man nicht tun, wenn man ohne alle Musse all seine Zeit mit Arbeit verbringt. Auf der richtigen Linie liegt da der von Herodot kolportierte Spruch „quidquid agis, prudenter agas et respice finem“! Statt aufgedreht wie die Wühlmäuse, die jede Sekunde des Tages mit futtern verbringen sind wir Menschen mit unserem komplexen Gehirn besser beraten, wenn wir erst denken und die Folgen unseres Handelns in Ruhe abschätzen, bevor wir aktiv werden. Wenn wir das tun, geben wir unserem zentralnervösen Organ die Gelegenheit, unterhalb der Schwelle des Bewusstseins gespeicherte alte Bilder und Gedankenverknüpfungen mit neuen zu vergleichen, um – oft genug – am Ende „heureka!“ zu rufen, weil wir mal wieder eine neue Erkenntnis gefunden haben. Das bedeutet es, seine Kreativität aufzurufen. Eine brave Arbeitsbiene, die hinfliegt, wohin sie geschickt wurde und keine Abschweifungen von der vorgegebenen Route mag, kann das nicht.
Schon kleine Arbeitspausen erweisen sich in der Praxis als wertvoll. So haben kluge Unternehmer beim Bau ihrer Büros darauf geachtet, dass ihre Mitarbeiter weite Wege zu den Toiletten zu gehen haben – nicht um sie vor zu häuiger Entfernung vom Arbeitsplatz abzuhalten sondern um ihnen ausreichend Zeit zu lassen, aus der Fixierung auf ihre Aufgaben aufzutauchen. Sehr hilfreich ist schließlich die mehrmals am Tag mögliche bewusste Abschaltung durch kurze Phasen der Meditation.
Der nächtliche Schlaf ist schließlich die beste aller Gelegenheiten, dem Arbeitsstress zu entgehen. Was immer man vorbereitend tun kann, um die Last der Arbeit aus dem Bewusstsein heraus zu lassen, erleichtert es dem Zentralen Nervensystem, das nie abschaltet, mit Abstand die Probleme der Arbeit von vielen Aspekten neu anzugehen, oft mit überraschenden neuen Einsichten am Ende. Hält man sich zudem offen hält für das Aufkommen von Träumen, vielleicht sogar von Klarträume (vgl. http://www.essenspausen.com/schlaf-und-traum-wir-ticken-ganz-anders/), wird einem die erst mit dem Tod endende permanente Aktivität des zentralen Bervensystems bewusst.
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