ARTE: Neue Hilfe bei Depression!
Erstellt von r.ehlers am Samstag 8. März 2014
X:enius ist das werktägliche Wissensmagazin des deutsch-französischen Kultursenders ARTE. Letzten Donnerstag, dem 6.3.2014, 16.55 Uhr, war es wieder so weit. Diesmal wurde durchgreifende neue Hilfe bei schwerer Depression versprochen. Das wollte ich natürlich wissen, weil ich fest davon ausging, dass mein Lösungsansatz, zum Schutz gegen die Entstehung psychischer Störungen den zerebralen Serotoninspiegel natürlich zu erhöhen, ein wichtiger Teil des Themas auch bei der Behebung der Störungen sein sollte.
Sehen Sie aber, was tatsächlich an Neuigkeiten vorgestellt wurde!
Erster Schwerpunkt der Sendung war der Bericht von Professor Dr. Volker A. Köhnen von der Uni-Klinik Freiburg. In schweren Fällen, in denen Depressiven nach seiner Meinung keine der bekannten Maßnahmen wirklich hilft, öffnet er die Schädelplatte und setzt eine auf Dauer dort verbleibende Sonde ein, die in regelmäßigen Abständen das sog. Belohnungszentrum des Gehirns, den Nucleus Accumbens, unter Stromstöße von 1,5 Milliampere Stärke setzt, also einen Gehirnschrittmacher. Vom Tierversuch her weiß man, dass die Aktivierung des Belohnungszentrums die ultimative Motivation bedeutet. Gleich wie gute Gefühle im Gehirn entstehen, am Ende geht ihre Umsetzung über dieses kleine Organ im unteren Vorderhirn. Was soll man sich also mit den glücksbringenden Hormonen abgeben oder mit glücksfördernden Gedanken und Vorstellungen, wenn man gleich auf die Ergebnistaste drücken kann! Pervers, nicht? Bemerkenswert ist, wie das Wohlbefinden der Patienten bei der Operation überprüft wird. Man fragt sie einfach, in welcher Stimmung sie sich befinden und, was sich mir nicht erschließt, ob sie Schuldgefühle haben. Das gute Ergebnis der Implantierung dieses Gehirnstimulators wird auch dadurch festgestellt, dass man die Betroffenen einfach fragt. Bisher laufen weltweit erst 7 Menschen mit einer solchen Sonde im Kopf herum. Sollen das wirklich mehr werden?
Den zweiten Schwerpunkt der Sendung setzte der Psychiater Privatdozent Dr. Karsten Wolf vom Klinikum Marienheide. Er erklärte, dass das Einsetzen einer Gehirnsonde nur in den seltensten Fällen in Betracht kommen sollte. Wenn die Depression früh erkannt würde, könne man sie heute praktisch immer erfolgreich behandeln. Es gäbe allerdings nicht eine Depression, sondern viele verschiedene. Genau genommen gäbe es genau so viele Depressionen wie es Depressive gibt.
Dr. Wolf erklärte zu wissen, dass individuelle Eindrücke von außen die Depression hervorriefen. Daher wüssten er und seine Kollegen in der Psychiatrie auch, wo sie ansetzen müssen, um die Probleme zu lösen. Im späteren Verlauf der Sendung wurde erläutert, dass Studien ergeben haben, das Gesprächstherapie nachweisbar sichtbare materielle Spuren im Gehirn hinterlässt. Das war eigentlich auch zu erwarten. Leider ist damit aber nichts darüber gesagt, wie genau und wie weit solche Einwirkungen von außen das Zusammenwirken der Gehirnbotenstoffe und die durch sie ausgelösten Gefühle beeinflussen, weniger noch, ob und in welchem Umfang das Besprechen der angeblich depressiv machenden Ereignisse wirklich die Depression löst. Immerhin gibt es eine Reihe glaubhafter Erfolgsgeschichten aus der psychiatrischen Depressionspraxis wie aus der kognitiven Verhaltenstherapie. In diesem Zusammenhang wurde auch berichtet von der stresslösenden Wirkung des therapeutischen Reitens. Mir fiel dabei ein, dass auch das Schwimmen mit Delphinen für ADHS-Kinder eine große Wohltat ist.
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Im dritten Schwerpunkt der Sendung klang vieles wieder ganz anders. Da erklärte der bekannte Professor Dr. Dr. Dr. Florian Holsboer, Direktor des Max-Plack-Instituts für Psychiatrie München, dass die Depression eine organische Krankheit ist. Sie findet ja zwar im Gehirn statt, ist aber kein Hirngespinst, sondern ein lokalisierbares niederreißendes Leiden. Holsboer lässt keinen Zweifel daran, dass der Hauptverdächtige für die Auslösung von Depressionen der von Stresshormonen ausgelöste Stress ist. Was denn sonst? Holsboer beschränkt sich, wie er es auch in seinen Fachveröffentlichungen weitergegeben hat, auf die Untersuchung des Stresshormons Cortisol. Dass ich als fachlicher Außenseiter keine Antwort auf die an ihn gerichtete Frage erhielt, warum er nicht auf das entscheidende Stresskontrollhormon Serotonin abstellte, von dem man doch weiß, dass es vielen Menschen knapp ist, kann nicht verwundern. Natürlich weiß Holsboer, dass auch seine Wissenschaft trotz guter Erklärungsansätze bisher keine wirkliche Hilfe bei der Depression anbieten konnte.
Holsboer erklärte erstaunlich offen, dass die Psychopharmaka wie die Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) bei viel zu wenigen gut wirkten und viel zu viele schwere Nebenwirkungen haben. Holsboer wörtlich: „Das kann so nicht weitergehen!“ Da trifft er sich mit Professor Dr. Achim Peters aus Lübeck, der alle diese Medikamente „schmutzige Drogen“ nennt.
Holsboer macht den armen Betroffenen aber Hoffnung. Man habe ein Protein gefunden, das alles erklären könne. Er geht davon aus, dass die Stresshormone dadurch ins Lot gebracht werden können und berichtet von ersten Erfolgen bei Mäusen. Leider verweigere sich die Pharmaindustrie der Forschung, wohl weil sie ihr großartiges Geschäftsmodell mit den SSRIs nicht stören wolle. Immerhin verdiene sie (der Gewinn ist gemeint, nicht der Umsatz!) damit weltweit jährlich satte 20 Milliarden Dollar!
Das ist doch einmal eine mutige Klarstellung!