Was haben Amokläufe mit psychischen Störungen zu tun?
Erstellt von admin am Donnerstag 31. Januar 2013
Sachbezug: Serotoninwirkungen
Jetzt hat es uns ein kritischer Experte mal wieder gegeben. Der emeritierte Pädagogikprofessor Dr. Freerk Huisken aus Bremen hat in weitem Bogen aufgezeigt, dass die seit Jahren durch immer neue Amokläufe befeuerte Diskussion über die Gründe für die Amokläufe wie in Winnenden und Erfurt in jeder Beziehung in die falsche Richtung läuf.
Bei „Tante Jolesch“ und im „Kritischen Netzwerk“ stellt er sich und uns die Frage:
„Was hat das Waffenrecht mit Amokläufen zu tun?“
(http://www.tantejolesch.at/tjtrue.php?href1file=amokl&bild=amokl.jpg und http://www.kritisches-netzwerk.de/content/schulmassaker-was-hat-das-waffenrecht-mit-amoklaeufen-zu-tun)
Seine Antwort: Nichts. Nach seiner Meinung gibt es für den Amokläufer einen ganz persönlichen Grund, der ihn zu einer solchen Gewalttat treibt. Das ist die Beschädigung seines Selbstbildes durch Andere, für die er Rache sucht. Dass dieses Motiv die Täter antrieb, wurde aber doch bei allen diesen Vorfällen ermittelt und öffentlich bekannt gemacht. Wer an einer bestimmten Penne gescheitert war, ging ja auch nicht in eine andere und schoss dort auf Schüler und Lehrer!
Nach Huisken spielt die Verfügung der potenziellen Amokläufer über Waffen keine Rolle. Er unterstellt einfach, dass so von ihrer Umwelt vergrätzte junge Leute immer irgendwelche Hilfsmittel finden, um andere in den Tod reißen zu können. Die Statistiken, die zeigen, dass dort, wo es kaum privaten Waffenbesitz gibt, praktisch keine Amokläufe vorkommen, kennt er offenbar nicht. Aber er hat eine Erklärung dafür, dass die Schuld an den Amokläufen immer wieder der Verfügbarkeit über Waffen gegeben wird. Es sind die Strippenzieher, die im Hintergrund die Richtlinien der Politik in unserer Parteiendemokratie ziehen, die das absolute Gewaltmonopol des Staates brauchen, um besser gegen Revolten von unten geschützt zu sein, wenn das Volk einmal merkt wie es ausgenommen wird.
Huisken hat da nach meiner Meinung Recht, dass die Kräfte, die „unsere“ Politiker korrumpieren, auf ihrem Weg zur Festigung ihrer Macht nur den Zorn des Volkes fürchten müssen. Ganz sicher kann das ein Grund mehr sein, weshalb die den Mächtigen Geneigten in Politik und gleichgeschalteten Medien gern auf die Waffenlobby einschlagen. Aber das Argument ist schwach. „Gelegenheit macht Diebe“ ist eine Wahrheit, die die Häufigkeit der Amokläufe dort sicher erklärt, wo wie in den USA jedermann Waffen hat oder wie in Deutschland die Sportschützen den Zugang zu Waffen für junge Leute nicht absolut sicher verhindern.
Wo es schon die Verfügbarkeit über Waffen nicht sein soll, reibt Huisken sich auch an denen, die den Tätern die psychische Gesundheit absprechen. Auch nach mehrmaligem Lesen seiner langatmigen Ausführungen dazu findet sich aber kein roter Faden. Huiskens Lösung, die er allerdings nicht genauer beschreibt, liegt in der richtigen pädagogischen Betreuung, die verhindern muss, dass die Beschädigungen des Selbstbildes der Betroffenen überhaupt entstehen. Wenn das gelingt, was aber sicher eine große Aufgabe ist, wird es wohl kaum noch Amokläufe geben. Aber um das festzustellen, muss man nicht dem privaten Waffenbesitz das Wort reden, da der – für sich genommen – ohne vernünftigen Zweifel kontraproduktiv ist.
Huiskens Versuch, alles psycho-pathologische im Zustand der Amokläufer wegzureden, ist leider frei von jedem Bezug zum gesicherten Wissen in der Psychiatrie und insbesondere in der Endokrinologie. Hat er die ganze Diskussion über die psychiatrische Behandlung von Tim K. in Winnenden gar nicht mitbekommen? Er weiß offenbar nichts darüber, dass gesagt worden war, dass er wegen seiner Probleme psychogene Medikamente verschrieben bekommen hatte. Ob er sie konsequent genommen hat, ist nicht bekannt. Heftig umstritten ist, ob solche Medikamente, die eine Besserung des allgemeinen Wohlbefindens bewirken und Depressionen und Zwangsstörungen angehen sollen, wirklich geeignet sind, einen zur Gewalttat Entschlossenen davon abzubringen. Die Diskussion war in Suizidfällen wie beim Nationaltorhüter Robert Enke, die deutliche Parallelen aufweisen, doch dieselbe.
Wo Huisken schon keine Ahnung von der Macht der Hormone im menschlichen Hirngeschehen hat, will ich aus meinen Gesprächen mit ungezählten depressiv Kranken berichten, dass viele von ihnen berichteten, dass sie im Leben nie an einen Suizid gedacht hatten, dass dieser Gedanke sie aber nicht mehr zur Ruhe kommen ließ, nachdem sie Medikamente einnahmen, die die Aktivität des Neurotransmitters Serotonin beeinflussten. Es geht dabei um die sogenannten Serotoninwiederaufnahmehemmer (serotonin reuptake inhibitors – SSRI) und ähnlich wirkenden MAO-Hemmer. Dass Huisken nicht davon gehört hat, dass man auf einfache nichtmedikamentöse Weise – im Zweifel durch regelmäßige intensive körperliche Arbeit – dafür sorgen kann, dass der Level am Wohlfühlhormon Serotonin immer ausreichend hoch ist, kann man ihm nicht übel nehmen. Die „große“ Wissenschaft und die Gesundheitspolitik nehmen diese Möglichkeiten ja auch nicht zur Kenntnis.