Vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand
Erstellt von r.ehlers am Freitag 15. Juli 2016
Um sein Leben richtig zu gestalten muss man sich richtig ernähren. Damit vergrößert sich die Gewähr, dass man nicht den großen Stoffwechselkrankheiten anheim fällt, nicht laufen zum Arzt rennen muss und mit zusätzlich ein wenige Glück nicht im Krankenhaus untergebracht werden muss. „Gesundheit ist zwar nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. Immerhin können wir im Zustand guter körperlicher und mentaler Gesundheit anderen Angriffen auf die persönliche Integrität weit besser begegnen und sie im äußersten Fall sogar ohne Verlust der Identität ertragen.
Unter den mannigfaltigen möglichen Angriffen spielen persönliche Verluste und Enttäuschungen eine große Rolle. Es ist schwer, beispielsweise den Unfalltod eines eigenen Kindes oder eines Lebenspartners zu ertragen oder von einer Person schmählich hintergangen zu werden, der man vertraut hat.
Strafgerichtssaal des Old Bailey 1895
Eine wieder andere Kategorie von das Leben erschütternden Ereignissen erlebt praktisch jeder Mensch in seinem Leben ein- oder mehrmals, wenn er sich vor einem Richter verantworten muss, der das Recht hat, ihm unter Berufung auf die Gesetze im Namen des Volkes schweren Schaden zuzufügen (Auferlegung von Zahlungen, Geldstrafe, Buße, Handlungsverbote, Freiheitsentziehung). Vor Gericht verlieren wir wie bei einer schweren Krankheit leicht den Boden unter den Füßen. Die meisten befragten Bürger, die vor Gericht kommen, gehen zwar davon aus, dass man es dort ehrlich mit ihnen meint, die Angst vor den undurchschaubaren Abläufen der Justiz ist dennoch immens. Die Angst ist viel begründeter als man so denkt .. .
Vor gut einem Jahr habe ich im Beitrag http://www.essenspausen.com/logik-ihr-fehlgebrauch-in-medizin-und-justiz/ daraauf hingeweisen, dass bei Gericht nicht gewürfelt wird. Man kann sich weitgehend darauf verlassen, dass bei gerichtlichen Entscheidungen die Logik Anwendung findet.
Ich muss hier aber ergänzend auf einen schrecklichen Übelstand bei Gericht hinweisen, dass nämlich immer wieder in der Urteilsfindung die Logik beiseite geschoben wird und Richter nach vorgefasstem Urteil oder nach ihrem Rechtsgefühl (Bauchgefühl) entscheiden. Dummerweise gibt die Rechtsprechung der Obergerichte solchen Richtern auch noch Recht, die so frei sind, zum Urteil zu kommen, wenn sie selbst keinen Zweifel an der Richtigkeit ihrer Überlegungen haben – aber nicht in der Lage sind, ihre Entscheidungsfindung für Dritte zwingend logisch zu begründen.
Die Folge dieses Vorgehens sind massenhafte Fehlurteile. Wussten Sie,
- dass in Deutschald nach sorgfältigen Erhebungen in der Rechtssoziologie 25 % aller Urteile (also jedes vierte Urteil) falsch sind?!
Wenn alle Richter es sich zum Grundsatz machten, niemals aus dem Bauch heraus zu entscheiden, sondern nur zu richten, wenn sie ihre Entscheidung in verständlicher Sprache für jeden Normalbürger logisch nachvollziehbar begründen können, gäbe es kaum Fehlurteile.
Die Freiheit der Richter, nach Gefühl zu entscheiden, ist besonders misslich im Strafprozess. Der Richter hat diesem Verfahren von Beginn an die Funktion eines (nach dem Staatsanwalt) zweiten Anklägers. Das Gericht muss nämlich mit den Augen des Ermittlers in die Akten der Staatsanwaltschaft einsteigen und sich ein eigenes Bild davon machen, ob der Angeklagte hinreichend verdächtig ist, die ihm zur Last gelegte Straftat begangen zu haben. Der Strafrichter hat in diesem Zwiwchenverfahren sogar das Recht, eigene Ermittlungen zu führen (was aber als lästig empfunden und daher nur sehr selten gemacht wird).
Die Feststellung des hinreichenden Tatverdachts ist ein erstes Urteil vor dem endgültigen Urteil, also so etwas wie ein Vorurteil. Wie in dem unseligen Strafverahren gegen den vormaligen Bundespräskdenten Christian Wulff sieht sich der Strafrichter, der in zweifelhafter Lage einen hinreichenden Tatverdacht angenommen hat, alsbald in der Kritik und wird versuchen, in der Hauptverhandlung seine Position bestätigt zu sehen. Im Fall Wulff führte das zu einer endlosen Hatz nach immer neuen möglichen belastenden Momenten, bis das letztlich doch objektive Gericht urteilte, dass die Anklage nicht begründet war.
Der Hauptgrundsatz unseres Strafrechts muss daher neu formuliert werden. Statt
- „Im Zweifel für den Angeklagten“ nuss es heißen
- „Bei Mangel an Beweisen für den Angeklagten“.
In Deutschland ist noch nie ein Richter wegen Rechtsbeugung nach § 399 StGB verurteilt worden, etwa weil er ohne ausreichende Beweise einen Angeklagten hinter Gitter gebracht hat, einfach weil er ihm nach seinem Vorleben und seinem Verhalten vor Gericht die Tat zutraute. Spektakulärste Fall ist der der „Lebedame“ Vera Brühne, die trotz löchriger Indizienkette wegenMordes verurteile wurde. Man kann ja einem Richter nicht in den Kopf sehen. Solange dieser Grundsatz, der nach der Rechtspürechung sogar Verfassungsrang haben soll, nicht endlich geändert wird, kann es sich ein Strafrichter herausnehmen, mit geradezu tollkühner Begründung Strafurteile fällen. Man kann ja einem Richter nicht in den Kopf sehen. Für Irrtum kann man ihn selbst bei größter Leichtfertigkeit nicht bestrafen.
Man muss für die sachliche Änderung vielleicht den Gesetzestext des § 399 StGB ändern. Derzeit denken Politik und Gesetzgeber nicht daran, weil wohl die Bevölkerung nicht durch die Aufnahme des Themas beunruhigt werden soll. Die Politik will auber auch „die Richter nicht verunsichern.“
Ich erinnere mich noch sehr gut an einen von mir verteidigten Angeklagten, der von einer Gruppe von Zeugen belastet wurde, von einer anderen aber entlastet wurde. Staatsanwalt und Gericht zeigten sich von den belastenden Ausagen mehr angsprochen und Verurteileten meinen Mandanten. Dass das ein Fall von Rechtsbeugung war, wurde in zweiter Instanz bewiesen, weil dort unerwartet alle Belastungzeugen umfielen. Solange man als Betroffener vonr Gericht mit solchen Fehlurteilen rechnen muss, gibt es keine ausreichende Rechtssicherheit in unserem Land. Aber man steht doch nur vor einem Menschen, der rchten soll und ist doch in Gottes Hand!