Pavlok: Selbst-Umerziehung durch Elektroschocks
Erstellt von r.ehlers am Donnerstag 12. Mai 2016
Der Hersteller:
„PAVLOK BREAKS BAD HABITS: Quit Smoking, Unhealthy Eating, Nail Biting, Sleeping In, And More….“
Das Pavlok is kein Fitness-Armband
Das frisch aus den USA herüberkommende Palvok-Armband ist, auch wenn es ganz so aussieht, alles andere als ein Fitness-Armband. Diese sind hervorgegangen aus dem klassischen Schrittzähler, der gern zur Kontrolle und Planung des Bewegungsverhaltens eingesetzt wurde und wird. Ihre Bluetooth-Verbindung mit dem Smartphone eröffnet neue Möglichkeiten der Zusammenstellung individueller Trainingspläne. Dazu haben diese Geräte Bewegungssensoren, die Tag und Nacht feststellen, ob ihr Träger sich bewegt, ob er dabei beschleunigt und ob er sitzt, steht, geht oder läuft. Teure Geräte haben über die dafür nötigen Distanz-Tracker, Timer und Stoppuhrfunktion hinaus noch Sensoren zur Erfassung der Herzschlagsfrequenz, der Messung des Kalorienverbrauchs und der Schlafüberwachung.
Harter Kampf gegen schlechte Gewohnheiten
Schlechte Gewohnheiten und abhängiges Verhalten wird man mit einem Fitness-Armband nicht los. Das allerdings versprechen der amerikanische Erfinder Maneesh Sethi und sein rasant wachsendes Unternehmen durch den Pavloc. Mit in der Stärke einstellbaren Elektroschocks soll sich der Träger des Armbands selbst dazu konditionieren, seine Fehler einfach nicht mehr zu machen.
Klingt simpel, nicht?
Der Grundgedanke dieses Vorgehens ist tatsächlich jedermann im täglichen Leben bekannt:
„Ein gebranntes Kind scheut das Feuer“. Auch ist die Methode bekannt, Daumen lutschenden oder Nägel kauenden Kindern die Daumen oder die Fingespitzen mit einer eklig schmeckenden Lösung zu bestreichen. Da man auf solchen Wegen nicht zu den Gründen vordringt, weshalb sich die schädlichen Gewohnheiten gebildet haben, lehnen Therapeuten solche Wege meist ab, weil sie schädliches Ausweichverhalten feststellen. Man denke dabei auch daran, dass solche von den Eltern eingeführte Strafen das Urvertrauen der Kinder zu ihren Eltern schwer erschüttern können.
Berühmt geworden ist eine solche klassische Konditionierung durch den russischen Physiologen Pawlow, der in seiner behavioristischen Lerntheorie gezeigt hat, dass einer natürlichen, meist angeborenen, sogenannten unbedingten Reaktion durch Lernen eine neue, bedingte Reaktion hinzugefügt werden kann Beispiel: Pawlowscher Hund). Pawlow nutzte sowohl Belobigungen wie auch Bestrafungen.
Erfolgreiche Aversionstherapie bei der Alkoholsucht
In der Psychiatrie ist die Aversionstherapie der Versuch eines Therapeuten, unerwünschtes Verhalten zu unterbinden, in dem er den ungefügigen Patienten mit unangenehmen (aversiven) Reizen bestraft. Besonders bekannt geworden ist die Aversionstherapie bei der Bekämpfung der Alkoholsucht, die in den 50er Jahren besonders in Europa viel eingesetzt wurde, dann aber mehr in Verruf geriet. Aber es gibt neue Erkenntnisse.
Eine 9-Jahresstudie des Max-Planck-Instituts für experimentelle Medizin und der Georg-August-Universität Göttingen hat untersucht, welchen Einfluss die Alkoholaversiva (AA) Disulfiram und Calciumcarbimid auf das Auftreten von Abstinenz, kurzfristigen Alkoholausrutschern („lapses“) oder schweren Rückfällen bei chronisch alkoholkranken Patienten haben, s. https://www.mpg.de/517202/pressemitteilung20060109.
Calciumcarbimid bzw. Disulfiram erzeugen eine Alkoholunverträglichkeit. Die Hemmung des alkoholabbauenden Enzyms Acetaldehyddehydrogenase führt bei Alkoholkonsum zur Anhäufung des toxischen Acetaldehyds im Körper – mit den Folgen einer „inneren Vergiftung“, der so genannten „Disulfiram-Alkohol-Reaktion“, d.h. flush-Symptomatik, Blutdruckentgleisung, Pulsrasen, Übelkeit, Erbrechen und gelegentlich sogar Kreislaufkollaps. Wer weiß, wie der Alkoholmissbrauch die schiere Existenz eines Menschen vernichtetn kann, wird sich über solche drastischen Maßnahmen nicht wirklich aufregen können. Die Ergebnisse der Max-Planck-Studie zeigen Abstinenzraten von über 50 Prozent. Beide Medikamente scheinen vor allem eine wesentliche psychologische Rolle bei der Rückfallprävention zu spielen (Alcoholism: Clinical & Experimental Research, Januar 2006).
Funktionsweise des Pavlok-Armbands
Der Hersteller empfiehlt folgendes Vorgehen (von mir übersetzt):
- Laden Sie die Anwendung (App) herunter und wählen Sie die schlechte Gewohnheit aus, die Sie los werden wollen.
- Legen Sie Ihren Pavlok an . Hören Sie in Ruhe die 5-Minuten-Trainings Instruktion an. Das Programm wird automatisch den Pavlok aktivieren. Sie müssen nur Acht geben.
- Drücken Sie auf den Aktivierungsknopf (Zap), wenn Sie sich bei der schlechten Gewohnheit ertappen. Der Pavlok kann manuell ausgelöst werden, aber auch durch Sensoren und Appflikationen und eine Fernbedienung. Manuelle Auslösung ist ebenso wirklungsvoll wie automatische.
- Es mag Ihnen so vorkommen als ob Ihre Gewohnheit schon nach 3 – 4 Tagen gebrochen ist. Ratsam ist, mindestens 5 Tage fortzusetzen und auch einmal bewusst den Zap zu bedienen. Je länger man dabei bleibt, dest größer ist die gewähr, dass die Gewohnheit sich nicht wieder durchsetzt.
Das Pavlov-Armband arbeitet mit weniger einschneidenden Bestrafungen als die die chemischen Alkoholaversiva. Wie Nutzer berichten, sind die Stromschläge aber doch so stark, dass man kaum anders kann, als ihnen durch Wohlverhalten bewusst auszuweichen. Ich rechne daher damit, dass die wissenschaftliche Verhaltensforschung sich sehr bald mit dem Pavlov-Armband beschäftigen wird.
Das Pavlok-Armband hat m.E. in seiner ausschließich manuellen Betätigung des Zap-Buttons psychologisch einen Riesenvorteil gegenüber der Fremdauslösung durch ein einmal eingerichtets und nicht bewusst begleitetes Bestrafungsprogramm wie auch gegenüber der Nutzung von Medikamenten, die dem Menschen ohne seine weitere Beteiligung übel mitspielen, wenn er wieder in dir unerwünschten Gewohnheiten zurückfällt. Allein das Tragen des Armbands, seine selbst vorgenommene Einrichtung und die bewusste Aslösung des Elektroschocks sorgen dafür, dass man sich intensiv mit dem eigenen unerwünschten Verhalten befasst. Das ist anders, wenn man nach der Einrichtung erst mal seinen Plan vergisst und erst durch einen Schock wieder darauf aufmerksam gemacht wird.
Wenn die Bestrafungen für Fehlverhalten von außen bestimmt werden, sind wir bei der „Ludovico-Technik“ in Stanley Kubricks Film „Clockwork Orange“ (nach dem Zukunftsroman von Anthony Burgess), bei der ein Sexualstraftäter immer wieder schlimmste Gewaltszenen anzuschauen gezwungen wird. Bei der Einflussnahme von außen bleibt ungewiss, ob der Betroffene nicht einfach innerlich abschaltet.
Ausblick
Ich halte es für möglich, dass die derzeit im Netz zu lesenden positven Rückmeldungen von Anwendern nicht sämtlich bloße hohle Werbesprüche sind.Theoretisch sehe ich schon eine Möglichkeit, dass das Pavlok-Armband keine dumme oder lustige Spielerei ist. Aber man wird sehen, ob wirklich so gefährliche Verhaltenweisen wie das Rauchen, Trinken, Drogenkonsum, Spielsucht, Verschwenungssucht, Kaufsucht, Zuckersucht, Esssucht, Faulheit, Trägheit, Unpünktlichkeit und vieles mehr erfolgreich angegangen werden können.
Vielleicht kauf man sich demnächst zum Neuen Jahr ein Pavlok-Armband, um nicht jedes Jahr immer nur die alten Vorsätze auszukramen und wieder an ihnen zu scheitern, sondern wirklich das zu tun, was man selbst für richtig hält (s. http://www.essenspausen.com/tun-was-richtig-ist/).