Das andere Geschlecht
Erstellt von r.ehlers am Freitag 15. April 2016
Vor 30 Jahren, genau am 14. April 1986 starb eine der erstaunlichsten Frauen der Weltgeschichte, die französiche Schriftstellerin, Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir. Besonders bekannt geworden ist sie in ihrer Zeit durch ihre Liäson mit dem Existenzialphilosophen Jean-Paul Sartre. Sartre ist natürlich in der Philosophie eine interessante Erscheinung. Man wird sich aber vermutlich später seiner kaum noch erinnern, während sie wahrhaftig unsterblich ist.
Beauvoir hatte nie ein Amt oder sonste eine Machtposition inne, eher widerstand sie immer wieder den gegebenen Strkturen und Mächten. Dennoch hat sie mit ihrem 1949 (in Deutschland 1951) herausgekommenen Buch „Das andere Geschlecht“
- einen nachhaltigen Einfluss auf die Sozialgeschichte der Menschheit ausgeübt
- wie auf die heutige allgemeine Selbstwahrnehmung von Mann und Frau .
Mit dem Ende der Adenauer-Zeit fiel auch in Deutschland das Tabu, über die Beziehung der Geschlechter überhaupt zu reden. Bis dahin sprachen selbst die meisten Eheleute miteinander nicht über Sex.Wenn sie das nicht gut hinkiegte, dann war es das eben.
Die Aufklärung der Kinder und Jugendlichen kam über den Vergleich mit der Bestäubung der Blüten durch die Bienen kaum hinaus. Da öffneten Autoren wie Kinsey, Masters and Johnson und Sexualaufklärer wie Oswald Kolle schon mal die Ventile. Simone de Beauvoir aber tat mehr.
Ihr Buch über die Frau als das andere Geschlecht, das mir im Alter von etwa 14 Jahren in die Hände fiel, öffnete auch mir die Augen über den damaligen disparaten Zustand unserer Gesellschaft und weckte in mir wie in ungezählten anderen jungen und alten Menschen gleich welchen Geschlechts einen unauslöschlichen Widerspruchsgeist gegenüber den staatlich und gesellschaftlich fest zementierten menschenwidrigen Gegebenheiten. Für mich persönlich bestärkte ihre Radikalität auch meine Lösung von den mir von den Eltern halbherzig zur Übernahme angebotenen christlichen Glaubensvorstellungen und trug mit dazu bei, dass ich den alten Geschichten einfach nicht mehr glauben konnte. Interessant ist die Parallelität, dass Beauvoir auch mit 14 Jahren begann, mit den Konventionen von Gesellschaft, Staat und Kirche zu brechen.
Natürlich war Beauvoir nicht die erste und blieb nicht die einzige, die die permanente Erniedrigung der Frau gegenüber dem als Mann als dem angeblich eigentlichen menschlichen Wesen anprangerte. Aber ihre umfassende kulturgeschichtliche und soziologische Abhandlung der Lage der Frauen in der Tausende von Jahren lang von Männern dominierten Welt ist „der radikalste und visionärste Beitrag zur Emanzipation der Frauen im 20. Jahrhundert“, wie es Alice Schwarzer in ihrem Buch „Simone de Beauvoir“, Hamburg, 2007 zu Recht geschrieben hat (auch wenn Alice Schwarzer nicht immer steuerehrlich war, ist sie natürlich immer noch zitierfähig).
Das letzte Jahrhundert markiert die Abkehr von der durch keinerlei sinnvolle Momente begründbare Überlegenheit des männlichen Geschlechts. Im patriarchalischen System war, wie es schon inder Bibel heißt, die Frau dem Mann untertan. Sie war bis in die Neuzeit hinein meist erst durch ihn als Mensch mit Rechten definiert. Regelmäßig war sie auch wirtschaftlich komplett vom Mann abhängig, hatte seine Kinder in die Welt zu setzen und zu kirchenfrommen Bürgern zu machen, während der Mann die Freiheit hatte, sich auch außerhalb der Familie zu verwirklichen oder sich nur zu vergnügen.
Mit der Entmystifizierung des Instituts der Ehe und des Indivualrechts auf Scheidung wird sich unsere Gesellschaft weiter ändern. Seither stehen die herkömmlichen Strukturen des Zusammenlebens in Ehe und Partnerschaft unter Gegengeschlechtlich orientierten Menschen auf dem Prüfstand der „Gender Studies „wie folgerichtig auch die Regeln des Zusammenlebens von gleichgeschlechtlich Interessierten. Inzwischen ist es auch kein Tabu mehr, über die Gruppendynamik in Familien nachzudenken, etwa darum, weshalb sich Geschwister so oft einfach „nicht grün“ sind sondern sich streiten wie Adidas und Puma.
Eine Dummheit, die aus der alten Zeit geblieben ist, ist die sich im minderen Lohn für gleiche Arbeit ausgedrückte Minderschätzung der Arbeitsleistung der Frau. Was sind das nur für Abgeordnete und Regierungen in unserem Lande, dass sie da nicht einfach klare Gesetze zur Gleichbehandlung von Mann und Frau schaffen, die jedermann zu beachten hat?! Was sind das für Wähler, die nicht mit ihrer Stimme an der Wahlurne für den endgültigen Wandel sorgen?!