Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Die Macht der Sprüche

Erstellt von r.ehlers am Donnerstag 14. April 2016

Meine beiden bei Via Nova 2012 erschienenen Ernährungsbücher

„ Wohlfühlhormon Serotonin“ und „ Essenspausen“

werden wie heute allgemein üblich mit beträchtlichem Schwerpunkt über Amazon vermarktet. Die „Krake Amazon“ ist dabei ist, fast den ganzen Buchmarkt und mehr zu schlucken. Sie wird deswegen in der Öffentlichkeit sehr kritisch beäugt. Ihr Erfolg beruht sehr wesentlich darauf, dass sie die neuen Möglichkeiten der Kommunikation und der logistischen Abwicklung absolut konsequent nutzt. Die Konkurrenten bleiben auf der Strecke, weil sie es versäumen, mitzuziehen.

Einer der Gründe für den Erfolg gerade auf dem Büchermarkt ist die überlegene Produktinformation. Amazon spricht zu diesem Zwecke ausgesuchte Kritiker, auch Lektoren, an. So wie Bücher gut und schlecht sein können, sind es auch die Kritiker. Auch der Laie lernt durch dieses System, „die Spreu vom Weizen zu trennen“ – bei den Büchern wie allerdings auch den  Kritikern. Manche Kritiker werden ihrer Aufgabe offensichtlich nicht gerecht, z.B. wenn einer bei Amazon schreibt, dass es dem Autor doch nur darauf ankäme, sein Produkt Aminas zu verkaufen. Er liest offenbar aus Faulheit nicht, sonst hätte er z.B. gelesen, was ich in den „Essenspausen“ auf S. 101 u.a. geschrieben habe: „Es gibt einige Menschen, die sich sogar ihre native Kost selbst herstellen. Woraus native Kost alles hergestellt werden kann, teile ich sowohl in meinen Büchern wir auch auf der genannten Homepage ausführlich mit.“

Typisch für eine Kritik, die ihre Aufgabe der Information der Öffentlichkeit  ernst nimmt,  die auch nicht blind jubelt oder verdammt, sondern sich mit ihrem Rezensionsgegenstand gründlich befasst und unvoreingenommen und ehrlich urteilt, ist die Kritikerin „Nora“. Sie bringt ganz offensichtlich auch ein gutes fachliches Vorwissen mit. Das heißt natürlich nicht, dass sie es wirklich in allen ihren Kritikpunkten besser wüsste als der Autor.  Sie kritisiert insbesondere:

„Und dann ist das Buch gespickt mit einer Mischung aus Moral und gut gemeinten Lebensweisheiten von Tante Emmi, die es außerordentlich behäbig machen. Eine Mischung aus Lebensweisheiten, allgemeiner Sorge um die Verhältnisse, Serotonin und Ernährungswissenschaft.“

Es liegt mir nicht, Kritiker zu kritisieren. Ich will hierzu aber etwas Wichtiges sagen. Warum ich in meinen Texten immer wieder auf Sprüche und Lebensweisheiten rekurriere, habe ich im Serotoninbuch (S.69) im Zusammenhang mit dem klugen Spruch der Haushälterin Berta in meinem elterlichen Haushalt „Viel lädt man auf den Wagen“ versucht zu erklären, dass solche Sprüche Ordnung und Weisheit ins Leben bringen. Damals wusste ich noch nicht, das solche Sprüche eine überwältigende Macht auf unser Unbewusstes ausüben und unsere Willensentscheidungen mehr beeinflussen als alle unsere angestrengten Versuche, sie rational zu begründen (Prof. Dr. Gigerenzer).

Das will ich nachfolgend vertiefen. Vorab gebe ich aber ohne weiteren Kommentar wörtlich die Rezension von „Nora“ bei Amazon wieder:

 „Ich habe mich selbst lange mit Serotonin und der Gier nach Kohlehydraten beschäftigt. Rolf Ehlers empfiehlt in seinem Buch eine „Aminas“ Kost. Ich habe festgestellt, dass ich davon eine Packung im Jahre 2008 gekauft hatte und bis heute nicht verbraucht. Warum? Man hatte mir damals das Zeug empfohlen und ich konnte keinerlei Wirkung feststellen. Heute weiß ich, dank des Buchs von Ehlers, was ich falsch gemacht hatte. Ich habe es eben nicht auf nüchternen Magen genommen. Und ohne Wirkung keine Motivation, das Zeug runterzuwürgen.

Das Buch erklärt sehr gut, warum native Kost Serotonin „lockt“. Es ist letztlich die Informationswirkung einer bestimmten Art von Nahrung, die das Gehirn veranlasst, mehr Serotonin zu produzieren. Diese muss auf nüchternen Magen konsumiert werden. Der Begründungszusammenhang ist für den, der sich mit dem Transport von L-Tryptophan ins Gehirn beschäftigt hat, einleuchtend. Nicht ganz einverstanden bin ich mit der Ansicht, dass immer genügend L-Tryptophan gespeichert oder vorhanden ist und eine zusätzliche Gabe bei Stress daher eigentlich nicht gebraucht wird.

Das Buch enthält einige wirkliche Perlen, die Essenspausen, der Begründungszusammenhang für native Kost, einige relevante Informationen darüber, welche Aufgaben Serotonin hat.

Aber, das mit der Wirkung von nativer Kost wird gründlich wiederholt. Der Jurist Ehlers muss da anscheinend einen kritischen Richter überzeugen, wie auch immer, ich habs dann irgendwann kapiert gehabt und dann nerven die Wiederholungen. Ein bisschen zuviel Werbung für das eigene Produkt.
Und dann ist das Buch gespickt mit einer Mischung aus Moral und gut gemeinten Lebensweisheiten von Tante Emmi, die es außerordentlich behäbig machen. Eine Mischung aus Lebensweisheiten, allgemeiner Sorge um die Verhältnisse, Serotonin und Ernährungswissenschaft. Es wird das Thema eben langsam und gründlich abgearbeitet und zu Themen wie „Sucht“ und wie man ungute Gewohnheiten „abstellt“, haben sich mir dank einer emotionslos-trockenen Schreibe gelegentlich die Nackenhärchen aufgestellt. Aber, der Vorteil von langsam und sicher denkenden Juristen ist die Verlässlichkeit. Ehlers hat eine echte Perle entdeckt und einen Beitrag geleistet, der m.E. relevant und einleuchtend ist. Die Idee, Serotonin mittels nativer Kost im nüchternen Zustand zu „locken“ habe ich noch nirgends sonst gelesen. Deshalb hat sich der Kauf des Buches für mich doch gelohnt. Gleiches gilt für die Essenspausen. Mit etwas weniger Moral begründet, ist die Idee absolut richtig.“

 

Die Häufigkeit der Sprüche

Kein Leser meiner Bücher wird aus dem Gedächtnis genau sagen, wie sehr ich in meiner Argumentation immer wieder auf  Sprüche, Volksweisheiten und allgemeine Lebensweisheiten abgestellt habe. Ich rechne damit, dass die meisten Leser, die diese Sprüche längst kennen, sie als Aufhänger für eine vertiefte Betrachtung ohne Probleme akzeptieren. Kann überhaupt jemand fühlen und denken, ohne ihnen zu begegnen?

Wer darin nicht gleich den Sinn erkennt, kann darin sogar eine Marotte vermuten. Ich stelle hier einmal einen kleinen Strauß an den von mir zitierten Sprüchen heraus:

„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ (Erich Kästner)

„Hoffen und Harren macht alte Jungfern und Narren“ (Tante Elfriede)

„Hauptsache gesund“ und „vor allem Gesundheit“

„Eure Nahrung sei Eure Medizin und eure Medizin sei eure Nahrung“ (Hippokrates)

„Man ist, was man isst“

„Viel hilft viel“

„Kinder, verderbt euch nicht den Appetit beim Essen“

„Die kluge Frau tut keinen Spruch vergebens.“ (Tante Emmi)

„Ein voller Bauch studiert nicht gern“

„Man hat noch nie einen dicken Löwen oder einen fetten Adler gesehen“(Hans-Ulrich Grimm)

„Iss morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein Edelmann und abends wie ein Bettelmann!“

„Jede Regel zuviel ist eine falsche Regel“

„Gute Frage ist halbe Antwort“

„Ein Juristenhirn denkt langsam, aber sicher.“

„Viele Wege führen nach Rom.“

„It’s  easier said than done.“

„Du bist nicht Du, wenn Du hungrig bist“ (Werbung)

„So viel Genuss darf sein!“ (Werbung)

„Natürlich nasche ich“ (Werbung)

„Das ist wie so*n Weckruf zwischendurch.“ (Werbung)

„Lieber den Magen verrenken, als dem Wirt was schenken“

„Doppelt genäht hält besser.“

„Ein voller Bauch studiert nicht gern.“

„Nach dem Essen sollst Du ruhn‘ oder tausend Schritte tun!“

 

Die Macht der Sprüche über unsere Willensentscheidungen

Gerade habe ich ein wenig über das Problem des freien Willens geschrieben, s. http://www.essenspausen.com/freie-willensentscheidung/. Daran anknüpfend weise ich hin auf die Forschungen des in der Entscheidungsforschung international führenden Psychologen Prof. Dr. Gerd Gigerenzer.

 https://de.wikipedia.org/wiki/Gerd_Gigerenzer

Gigerenzer bestätigt die auch anderweitig gesicherten Erkenntnisse, dass alle unsere Willensentscheidungen sowohl rational wie emotional  im Gehirn vorbereitet werden, bevor sie in unserem Bewusstsein auftauchen.

Mit Gigerenzer ist festzustellen, dass die bis in die Gegenwart hineinreichende allgemeine Vorstellung der sog. kognitiven Modelle falsch ist. Sie setzt allein auf Algorithmen, d.h. auf systematischen, logische Regeln und Handlungsanweisungen, die zur sicheren Lösung vorgelegter Probleme führen sollen. Gigerenzer hat nachgewiesen, dass unser Gehirn so nicht arbeitet, sondern den weit schnelleren Erkenntniswegen der Heuristik folgt. Gleich ob ein Problem mit ausgiebigster Nutzung unserer rationalen Möglichkeiten überhaupt lösbar ist oder nicht, wählt unser Gehirn durchweg die Abkürzung der Entscheidungswege durch die Auswahl der von ihm bevorzugten intuitiven Entscheidungsmuster. Das ist die Herrschaft des sog. Bauchgefühls über die Rationalität, auch die Vorurteile dringen dadurch nach vorn.

Es zeigt sich, dass die Ratio nicht mehr ist als ein Satz von Werkzeugen, denen wirkungsvollere in der Emotion verankerte Entscheidungshilfen, die Heuristika, gegenüber stehen. Wenn wir unsere tatsächlich getroffenen Entscheidungen nicht rational erklären können, sprechen wir von unserer Intuition oder unserem Bauchgefühl. Entscheidungen werden also vor allem intuitiv anhand von Faustregeln getroffen. Gigerenzer nennt das Bekenntnis zu den Bauchentscheidungen selbst eine rationale Strategie. Er hat in vielen Versuchen nachgewiesen, dass sie tatsächlich in aller Regel deutlich erfolgreicher ist. Gigerenzer macht indessen klar, dass das Bauchgefühl oder die Intuition nicht mir zufälliger Eingebung oder naivem Verhalten gleichgesetzt werden darf. Bauchentscheidungen funktionieren besonders gut, wenn sie auf fundiertes Fachwissen gründen.

 

Noch Fragen? Die tief in unserem Innern verankerten Sprüche von Tante Erna, dem Volksmund und leider auch der raffinierten Werbung sind die Entscheidungshilfen (Heuristika), die uns ohne viel nachzudenken durch das tägliche Leben leiten. Sie machen das Leben leichter, manchmal auch nur geschmeidiger. Da wir in unserem Innern alle voll sind von diesen Entscheidungshilfen, ist es – ganz im Sinne Gugerenzers klug, sie nicht zu negieren, sondern sie wo vorhanden auch zu würdigen.

Sie verdienen es aber sämtlich, auf ihren wahren Gehalt hinterfragt zu werden.  So wie die verlogenen Werbesprüche können auch scheinbar ganz klare Allgemeinsprüche grundfalsch sein.

Bestes Beispiel für einen solchen Fehler ist der Allgemeinplatz, dass viele Wege nach Rom führen. Gerade in Fragen der Gesundheit und der Ernährung ist doch bekannt, dass bestimmte Nahrungsinhaltsstoffe durch nichts zu ersetzen sind und wir regelmäßig und unweigerlich krank werden, wenn auch nur einer fehlt. Wie soll z.B. der Botenstoff Serotonin in den Raphe-Kernen des Stammhirns aufgebaut werden, wenn nicht alle seine Bausteine und Cofaktoren zugegen sind wie etwa Vitamin B12 und Vitamin D 3. Zu ihrer Aufnahme gibt es keine Alternative!

Falsch ist auch das Wortspiel: „Die einen sagen so, die anderen so! Damit wird  jede Diskussion abgewürgt, indem unterstellt wird, dass es im fraglichen Fall verschiedene  Meinungen gibt, die beide „ihre Richtigkeit“ hätten. Aber was definitiv klein ist, wird dadurch nicht groß und umgekehrt..