Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Schönheit: Ihr gnadenloses Regime über die Menschen

Erstellt von r.ehlers am Mittwoch 30. März 2016

In der Beschäftigung mit der Lebenskunst und den Möglichkeiten der Selbstgestaltung des  Lebens unser Thema auf diesen Seitenkommt man nicht weit, wenn man sich nicht seiner fundamentalen Begrenzungen bewusst wird. Zu ihnen gehört vornean die Unmöglichkeit der unmittelbaren Erkenntnis der wahren Natur aller Dinge, die wir bei gründlicher Betrachtung einfach zu konstatieren haben – ohne dass wir darunter wirlich leiden müssen.

Weit durchgreifender und schmerzhafter sind die uns innewohnenden Zwänge, die uns ohne Rücksicht auf Sinn und Verstand regieren. In diesem Sinne spreche ich hier vom

                           gnadenlosen Regime der Schönheit.

Weil alle Menschen in ihrem Bann stehe, weil wir alle wissen, welcher Irrsinn in unserer tiefen Verhaftung mit allem was „schön“ ist steckt und weil uns bewust ist, dass wir an dieser Situation nichts ändern können, ist die Dominanz der Schönheit über die Menschen – auch und gerade weil sie zu allen Zeiten meist unausgesprochen geblieben ist, auch eins der größten Tabus aller Menschen. Die Konfrontation mit der Schönheit versetzt uns allen immer wieder einen Stich ins Herz, gepaart mit einem Gefühl der Hilflosigkeit, Hilflosigkeit deshalb, weil wir mitkriegen, dass wir Objekte oder Opfer ihrer mächtigen Wirkung sind, die nicht verstehen, warum es sie gepackt hat.

-de.wikipedia.org-

Schönes Beduinenmädchen (Luis Ricardo Falero 1891)

Geradezu krampfhaft haben sich zu aller Zeit selbst die größten Geister darum bemüht, von der blinden Hinwendung der Menschen zur Schönheit abzulenken und  ihr einen tieferen Sinn zu geben. In aller Kürze einige Beispiele:

-de.wikipedia.org-

Venus: Römische Göttin von Liebe und Schönheit

Platon erklärt in seinem Symposion die Schönheit als eine göttliche Kraft. Er träumt von einer Idee der Schönheit, die dem Menschen nichts als Freude und Offenheit bringe. Er sieht die Schönheit nicht nur in der körperlichen Ausdruckeform, er sieht sie vermehrt im philosophischen Diskurs. Bei diesem Thema verlässt den große Denker wie alle seine Kollegen ganz und gar der sokratische Zweifel. Hat Platon vielleicht den von den Dichtern immer besungenen Zusammenhang zwischen Liebe und Leid nicht gekannt?

In der neuzeitlichen Philosophie von  Leibniz, Chr. Wolff,  Baumgarten (Schöpfer des Begriffs der Ästhetik), Kant und  Hegel wird die Schönheit von einer besonderen Eigenschaft von Dingen zum Urteil des Verstandes, dem mit allerhand Phantasie noch eine „sinnliche Erkenntnis“ an die Seite gestellt wird. Baumgarten überhöht das Thema um seinen Begriff des „schönen Denkens“, zu dem mir zunächst der Sinnspruch meines Mitte des 19. Jahrhunderts  geborenen Großvaters väterlicherseits einfällt:

„Schönsein ist nichts, nur Gefallen macht schön.“

Auch Redewendungen wie „Dinge schön reden“ und sich einen häßlichen Menschen „schön saufen“ passen auch dahin.

Kant kam auf die Idee, dass Schönheit den „Anspruch subjektiver Allgemeinheit“ hätte. Man könne zwar gut darüber streiten, was wirlich schön sei, anders als bei den Fragen nach dem Guten oder dem Wohlgefallen sei beim Urteil über das Schöne das subjektive Interesse des Urteilenden nicht beteiligt, weshalb allein die Schönheit ein „interesseloses Wohlgefallen“ sei. Hegel bestimmt dagegen das Schöne als „das sinnliche Scheinen der Idee“, was immer das heißen soll. 

 Schopenhauers zentraler Begriff des kontemplativen Betrachtens („Die Welt als Wille und Vorstellung“) hat eine große Ähnlichkeit mit Kants´ Begriff des interessenlosen Wohlgefallens. Kontemplatives Betrachten kennzeichnet sich nach Schopenhauer durch das Versenken in die Betrachtung des jeweiligen Gegenstandes aus, ohne Grund und ohne weitere Intentionen als die Versenkung. Als Gegenstände dieser Art der Betrachtung kommen danach sowohl das „Naturschöne“ wie auch das „Kunstschöne“ infrage.

 

Der Stand des Sache Schönheit

Von dieser bis in die heutige Zeit unverändert geführten Diskussion über das Wesen der Schönheit bleibt nach kritischem Abzug aller hohlen Sprüche nur der eine, dass es auf das Gefallen ankommt. Da allerdings hört man viel, dass jeder Mensch sein eigenes  Schönheitsempfinden hätte, wie überhaupt jeder Mensch seine eigene Wahrheit verträte. Das allerdings ist „zu kurz gesprungen.“

Es kommt auf die Übereinstimmung der Vielen in der Beurteilung an, ob etwas oder jemand der idealen Vorstellung des Schönen entspricht. Es gibt Kreise, in denen eigene Schönheitsvorstellungen „gelten“, z.B. waren Tattoos lange Zeit nur für Polynesier, Seeleute und Strafgefangene schön, heute geht ihre Anerkennung als schön durch mehrere Alters- und Gesellschaftsschichten. Selbst Piercings finden ihre begeisterten Anhänger. Die Mode bestimmt, was weite Kreise wert schätzen. Bei all diesen Festlegungen, was allgmein oder in bestimmten Kreisen als schön angsehen wird, bringen die Menschen, die dem Urteil der Vielen zustimmen, auch ihre eigene Überzeugung mit ein. Diese aber ist  durchweg nicht das Produkt eigener Überlegungen oder eigener sinnhafter Erfahrungen. Man spricht da zu Recht vom Diktat der Mode, die sich der dem Prinzip der Schönheit innewohnenden Herrschaftsmechanismen bedient. Wer sich dieser Herrschaft nicht unterwirft, beispielweise in Kleidung herumläuft, die vor langer Zeit mal „in“ war, fällt nachteilig aus dem Rahmen – es sei denn, Nostalgie wäre gerade „angesagt.“ Wir alle haben da hochempfindliche Antennen, um festzustellen, was als schön gilt und passen uns in aller Regel rechtzeitig an, um nicht scheel angesehen zu werden.

Dieses Prinzip der „Followers“ setzt sich heute fort in den fälschlich sozial genannten Netzwerken wie Facebook, Instagramm & Co, die dabei sind, den Menschen ihre Privatheit zu stehelen. Es ist nicht erstaunlich, dass diese Welle gerade aus den USA um die ganze Welt gegangen ist. Sie ist geboren aus der Unkultur des „Populärseins“ an den amerkanischen Schulen. „Being popular“ ist unverzichtbar erstrebenswert, daher ist es schön, populär zu sein.

 

Woher kommt diese Macht der Schönheit?

Sie kommt aus der sozialen Macht der Masse, zumindest der Vielen, die von ihnen vereinnahmt werden. Diese gründen sich auf die soziale Kompetenz der Menschen, gestützt auf die Fähigkeit der Nachahmung.  In jeder menschlichen Gemeinschaft bilden sich gemeinschaftlich anerkannte Muster heraus, allen voran eine eigene Sprache, aber auch die Wertschätzung bestimmter äußerer Merkmale.

Die  Figur der berühmten Venus von Willendorf lässt den Schluss zu, dass die frühen Menschen fette Weiber mit gewaltigen Brüsten schön fanden, so wie das bis in die Neuzeit  auch bei den Arabern und Schwarzafrikanern der Fall war und dort geblieben ist, jedenfalls dort wo wo westliche Modemagazine mit ihren Hochglanzbildern ausgehungerter Models noch nicht hingekommen sind.

Selbst die perfekte Symmetrie im menschlichen Antlitz ist nicht immer die einzige Richtschnur für das Schönheitsempfinden. Um „interessant“ zu wirken, malten sich Frauen daher einen „Schönheitsfleck“ auf eine Wange und malten sich eine hoch geschwungene Augenbraue.  Nur wenige selbstbewusste Frauen verzichten darauf, sich nach den Ratschlägen der Kosmetikindustrie das Gesicht zu bemalen, insbesondere um die Augen herum, die die Betrachter fesseln sollen. Gern machen sie sich vor, dass sie sich „für sich selbst schön machten“. Davon kann  aber keine Rede sein. Alle, die das von ihnen akzeptierte Schönheitsbild teilen, ob Männlein oder Weiblein, sind die Adressaten dieser Botschaften.

Die Sexualität segelt gern auch unter der Flagge der Schönheit. Vereint bestärken sich sexuelle Reize und schöne Erscheinung des Anderen und sorgen für die Compliance des Einzelnen mit den an ihn gestellten biologischen und gesellschaftlichen Anforderungen.

Unabhängig von  allen Beeinflussungen unseres Urteils über das, was wir schön finden, sind allein die Empfindungen und Wahrnehmungen, die der Gesundheit des Menschen entsprechen. Wenn ein Kind geboren wird, überprüft die Hebamme als Erstes, dass „alles dran“ ist am neuen Spross, und dass er körperlich regelhaft gewachsen ist. Nichts kann da schöner sein als die Pfirsichhaut eines Säuglings! Danach ist unbezweifelbar schön der gut funktionierende Geist des neuen Menschen. Wenn wir es genau betrachten, sind die Gesundheit und die ihr folgenden guten Funktionen von Körper, Gemüt und Geist auch bis zum Tode die wichtigsten Grundlagen für unsere Entscheidungen in Sachen der Schönheit.

In unserer heutigen Welt, in der das Alter als solches wenig Respekt erfährt, ist indessen die ästehtische Wertschätzung der Erscheinung alter Menschen regelmäßig sehr gering.  Der Jugendwahn lässt keine Falten zu, keine grauen Haare, keine Tränensäcke und keine Schlabberhälse.Unter diesem Druck trägt der berühmte Modezar Karl Lgerfeld, der eine erstaunlich jugendliche Ausstrahlung hat, solche auffallend hohen Hemdkragen. An diesem falschen Jugendwahn sollte sich jemand, der sich über das Wesen und die Funktion der Schönheit informiert hat, nicht beteiligen. Ist es denn wirklich wichtig, auch im Alter die Attribute der Jugendlichkeit vor sich her zu tragen?  Oder sollte man nicht eher auf die unabänderlichen Zeichen des Alterns stolz  sein und es genießen, dass man sich selbst und die Welt besser versteht als in jungen Jahren?!

 

Die Konsequenzen

In der Jugend sollte man sich daran erfreuen, dass man einen gesunden Geist in einem gesunden Körper hat. Den gilt es, richtig zu bedienen durch gute Bildung, richtige Versorgung und körperliches Training. Das Ergebnis ist eine natürliche Schönheit. Es spricht nichts dagegen, sich gemäß den anerkannten Gepflogenheiten noch ein wenig schöner zu machen, besipielsweise durch eine natürliche Kosmetik.

Diesen jugendlichen Zustand krampfhaft verlängern zu wollen, ist falsch. Aber man sollte jedem Alter gemäß an seinen geistigen Fähigkeiten arbeiten und sich körperlich fit halten. Die natürliche Schönheit wandelt sich dabei, ohne schlagartig verloren zu gehen. Wenn sie dann endlich ganz vergeht, ist das kein Unglück.

Die Macht der Schönheit über die Menschen bleibt unbeschadet dessen bei jedem Menschen bis zum Tode erhalten. Gerade die Alten verspüren die besondere Attraktivität der natürlichen Schönheit der Jugend. Daran vielleicht haben Kant und seine Epigonen geglaubt, als sie von dem nicht vom persönlichen Interesse getrübten Wohlgefühl sprachen, das die Präsenz der Naturschönheit erzeugt.

P.S.: S. auch den nachfolgenden Beitrag: http://www.essenspausen.com/thesen-zum-umgang-mit-schoenen-menschen/ 

 

Ein Kommentar zu “Schönheit: Ihr gnadenloses Regime über die Menschen”

  1. Richtig Essen » Blog Archiv » Thesen zum Umgang mit schönen Menschen sagt:

    […] Schönheit: Ihr gnadenloses Regime über die Menschen […]