Richtig leben: Gebräuche, Sitte, Moral (Ethik), Recht und Gerechtigkeit
Erstellt von r.ehlers am Montag 29. Februar 2016
Aus Gewohnheiten, Meinungen und Übereinkünften von Menschen entwickeln diese Vorstellungen darüber, was man in entsprechenden Situationen künftig tun soll. Alle solche Vorstellungen lassen sich sehr gut unter den etwas sperrigen Begriff der Sollensvorschriften einordnen.
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Es steht in unseren heutigen Gesellschaften außer Frage, dass jede menschliche Gesellschaft eine Menge an Regeln braucht, die ihren Mitgliedern sagen, was sich gehört bzw. was den Regeln von Moral und Recht entspricht. Diese Regeln schränken zwangsläufig die Freiheit der Menschen ein. Daher werden sie von ihnen auch ständig hinterfragt, ob sie auch sinnvoll sind.
Dass es in menschlichen Gesellschaften überhaupt eine Reihe von Regeln geben muss, wird selbst von Anarchisten nicht bestritten. In häufig anzuterffender laienhafter Vorstellung führt der Verzicht auf die staatliche Gewaltordnung, die solche lebenswichtigen Regeln durchsetzt, zur Anarchie. Diese wird verstanden als beklagenswerter Zustand gesellschaftlicher Unordnung, Gesetzlosigkeit und privater Gewalt. Wegen der Ferne zu allen Normen nennt man so etwas eine Anomie. Diese ist als mögliche Gesellschaftform ein Unding.
Die Anarchie ist dagegen kein Zustand des ungeregelten Lebens, sondern nur der Freiheit von institutioneller, meist staatlicher, Gewaltherrschaft. Eine funktionierende anarchische menschliche Gesellschaft ist indessen eine Utopie. Je mehr wir über die Natur des Menschen wissen, desto klarer wird, dass eine Gemeinschaft , in der sich jeder Mensch sich ohne die Präsenz einer notfalls unterdrückenden Autorität in freier Assoziation mit anderen Menschen frei entfalten kann, nicht geben kann.
Die Regeln selbst stehen auf dem Prüfstand: Wir setzen die Eckpunkte
Die Frage ist daher nicht, dass wir Sollensvorschriften brauchen, sondern wie weit sie unsere grundlegende Handlungs- und Meinungsfreiheit einschränken sollten. Sie sehen richtig: Wir befassen uns nicht nur damit, was wir effetkiv tun sollen, sondern auch damit, wie die die Regeln, die bestimmen, was wir tun sollen, aussehen sollen.
Die Welt, wie wir sie denn gern hätten, ist eine Vorstellung und keine Realität. Einen obejktiven Maßstab, der ewig gelten sollte, gibt es nicht (s. auch http://www.essenspausen.com/richtiges-verhalten-in-der-fluechtlingskrise/). In jeder historischen Situation entwickeln die Menschen in ihren Gemeinschaften neue Eckpunkte oder Axiome, nach denen sie ihre Regelwerke auszurichten suchen.
In den säkularisierten Ländern, in denen die Religionen keine entscheidende politische Macht mehr haben, sind heute Eckpunkte auszumachen, an denen wir die Vorschriften, die wir akzeptieren wollen, messen. Vieles von dem findet sich in unserem Grundgesetz mit seinem Kanon der bürgerlichen Freiheiten.
- Oberste Regel für jede Sollensregel ist die Richtigkeit ihrer Ausgangspunkte. Keine Regel darf auf unwahre Annahmen gründen.
- Sollensvorschriften müssen zudem zweckmäßig sein, sie müssen von Vorteil sein. Regeln müssen insbesondere das sichere Leben gewährleisten.
- Der Anspruch jedes Menschen auf die eigenverantwortliche Bestimmung seines Lebens geht über die Beziehung zum Staat und seinen Einrichtungen hinaus bis in die Familien und in die partnerschaftlichen Beziehungen. Auf keiner Ebene wollen wir eine unnötige Fremdbestimmung. Wir wollen darüber hinaus auch nicht gegängelt werden (politisches „Nudging“, sggressive Werbung, Ausspähen). Auch in Fragen der richtigen Ernährung und Krankenbeahndlung wollen wir nicht bloß „be“lehrt und „be“handelt werden, sondern wollen mitreden.
- Modern und alles andere als selbstverständlich ist auch die heute geltende Betonung der Gleichheit aller Menschen. Daher ist aus moderner Sicht nicht allein das größte Glück der größten Zahl, also der Mehrheit der Bürger, maßgebend, sondern daneben auch die Sicherung des Lebensglücks der Minderheiten.
Heute weltweit anerkannt ist der demokratische Grundsatz „One man, one vote!“ als Teil des Gleichheitsgebots. Viel an Demokratie kann man allein damit aber nicht erreichen, solange die Bürger selbst in wichtigsten Fragen nichts zu sagen haben -außer die Leute zu bestimmen, die dann die Entscheidungen nach ihrem Gusto treffen.
Nicht in diese Liste aufgenomen habe ich daher das Interesse an einer wirklichen Demokratie, weil sich das – für meinen persönlichen Geschmack sehr schwer zu verstehen – einfach in der großen Allgemeinheit einfach nicht feststellen lässt. Ich nehmr an, dass wir nach Tausenden von Jahren ewiger Fremdherrschaft durch Könige und Fürsten in der Masse noch immer nach Führern suchen, die es schon richten werden. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis das Interesse, nicht nur für sich privat, sondern auch politisch mit zu entscheiden, allgemein werden wird.
Der Weg dahin ist gar nicht einmal schwer. Wir müssen nur mit mehr Volksentscheiden beginnen – wie etwa in der Schweiz, wo die große Mehrheit gerade einen allerdings geradezu irrsinnigen Vorschlag zurückwies, alle Bewohner des Landes, die nicht schon seit Generationen dort leben, aus dem Land zu verbannen, wenn sie auch nur eine geringe Straftat begangen haben. Auch eine direkte Demokratie funktioniert nicht ohne gründliche Übung.
Recht, Rechtsgefühl und Gerechtigkeit
Wenn die Grundregeln einer sinnvollen Normgebung eingehalten sind, sagt uns unser Rechtsgefühl, dass eine Regel auch gerecht ist. Gerechtigkeit ist also kein sicherer Hort, der eicht anzusteuern ist. Sie ist vielmehr eine Idee oder ein Kriterium des Rechts.
Nach den Erfahrungen im Dritten Reich hat die Vorstellung von gesetzlichem Unrecht viel Gewicht erhalten. Das mit der Macht des Staates gesetzte“positive“ Recht hat nach den Lehren des bedeutenden Rechtsphilosophen Gustav Radbruch keine allgemein verbindliche Kraft, wenn es in krassem Widerspruch steht zu den Vorstellungen von gerechter Regelung oder wenn ersichtlich ist, dass der Gestzgeber die Gerechtigkeit gar nicht im Sinne hatte. In einem Fall hat sich der Bundesgerichtshof (BHG) sogar ausdrücklich auf diese Radbruchsche Formel eingelassen. Aber natürlich ist das schwankender Boden.
Die Misinterpretation erleben wir heute, wo Bürger sich auf ein Widerstandsrecht gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung Merkel berufen und Flüchtlingsunterkünfte in Brand setzen.
Gesetzes Recht und Naturrecht
Die Vorstellung, dass das Recht oder zumindest einige Grundzüge von Natur aus vorhanden wären, wird in der Rechtswissenschaft praktisch gar nicht mehr vertreten. Der sog. Rechtspositivismus, der davon ausgeht, dass es keine feststellbare Instanz gibt, die ohne unser menschliches Dazutun bestimmte, was wir zu tun und zu lassen haben, geht auch davon aus, dass die Rechtspraxis keine tiefer Begründung oder höhere Berechtigung braucht.
Am Beispiel der Zulässigkeit der Sklaverei in den USA ist deutlich zu erkennen, woher Rechtsregeln wirklich kommen. Nach heutiger Vorstellung gibt kaum ein verabscheuungswürdigeres Tun als einen anderen Menschen zu versklaven. Die Sklaverei war aber ein entscheidender Wirtachaftsfaktor für alle Kolonialmächte. Die Grundbesitzer in den Südstaaten, wohl durchweg bibelfeste Christen, übernahmen die Sklaverei als eine gottgegebene Einrichtung. Der damit verbundene Rassismus gegenüber den aus Westafrika entführten Menschen, ein gleichfalls unerträgliches Unrecht nach unserer heutigen Vorstellung, machte den Südstaatlern ihre Sklavenherrschaft noch plausibel, weil sie auf de Schwarzen als Ungleiche und Minderwertige herabblickten. Bestimmt haben die Sklavenhalter ernsthaft geglaubt, dass Gott sie liebe, solange er sie dank der Ausbeutung der Sklaven so sehr reich machte.
Ein anders Beispiel ist das Recht auf Heimat, das gerade nach der brutalen Vertreibung von 12 Millionen Deutschen aus den Ostgebieten gern beschworen wurde. Von selbst ist aber auch ein solches Recht nicht in der Welt. Die Macht der Sieger geht über das Verlangen auf Rückkehr in die Heimat einfach hinweg, bis die Betroffenen nach nachhaltiger Änderung des Lebens in der früheren Heimat ihr Drängen aufgeben, um nicht neuen Unfrieden in den Status Quo zu bringen.
Im Umgang mit den vielen Vorschriften für unsere Lebensführung stellen wir eindeutig fest,
- dass da niemand im Dies- oder Jenseits ist, der sich um unsere Regeln kümmert, wenn wir es nicht selber tun.
Montag 7. März 2016 um 10:02
[…] Richtig leben: Gebräuche, Sitte, Moral (Ethik), Recht und Gerechtigkeit […]
Mittwoch 8. Juni 2016 um 10:50
[…] Sie ist aber ein gutes Mittel einer der philosophischen Lebenskunst, die es uns ermöglicht ohne Verzweiflung angesichts der vielen Ungereimtheiten unserer Welt in ihr gut zurecht zu kommen (s. auch http://www.essenspausen.com/richtig-leben-gebraeuche-sitte-moral-ethik-recht-und-gerechtigkeit/. […]