Zwischenmahlzeiten – die größte Ess-Sünde unserer Zeit
Erstellt von r.ehlers am Mittwoch 19. August 2015
Peter Bytow. der Vorstandsvorsitzende des „Vereins für Gesundheit und Lebensfreude e.V“ im Baden-Württembergischen Simmozheim, hat mich gebeten, einmal einen (überschaubaren) Beitrag zum Abdruck in den dortigen Vereinsnachrichten über das Thema „Zwischenmahlzeiten“ zu schreiben. Das tue ich natürlich sehr gerne, zumal ich durch sehr anregende Gespräche mit Herrn Bytow und durch die Präsentatation des Vereins im Netz unter http://www.gelef.de/ sehe, dass der Verein für Gesundheit und Lebensfreude e.V. und die „Gesellschaft für das richtige Essen und Lebensgestaltung (GfE)“ sich in den Zielen ihrer Arbeit und in ihrem Engagement sehr gleichen. Ein Unterschied ist der, dass ich derzeit als Ernährungsforscher und Autor in der von mir initiierten Gesellschaft noch ein rechter Einzelkämpfer bin, während sich beim Verein für Gesundheit und Lebensfreude e.V. eine ganze Reihe bestens informierter Akteure zusammengefunden haben.
Zwischenmahlzeiten – die größte Ess-Sünde unserer Zeit
Superlative werden heutzutage sehr leichtfertig vergeben. Dass sich aber die große Zahl der Menschen in unserer Zeit nicht mehr an feste Essenzeiten hält, sondern sich den ganzen Tag mit Essen beschäftigt und sich ergänzend zu den drei angeblich unverzichtbaren Hauptmahlzeiten mit Zwischenmahlzeiten von einer Essgelegenheit zur nächsten durchhangelt, ist die entscheidende Ursache für das massive Umsichgreifen der sog. Zivilisationskrankheiten.
Das Internetlexikon Wikipedia rechnet dazu insbesondere Herz- und Gefäßrankheiten, Diabetes mellitus Typ2, Bluthochdruck, Übergewicht und Adipositas, Gicht, manche Allergien, bestimmte Krebsarten, Hauterkrankungen wie Neurodermitsi und Akne, Esstörungen und bestimmte psychische Erkrankungen. Über- und Fehlernährung sowie Bewegungsmangel sind als Hauptgründe anerkannt, daneben werden Alkohol und Nikotin, Umweltgifte und psychische Überforderung der Menschen genannt. Mit der Fehlernährung meint man allerdings nicht die Essweise und die Häufigkeit des Essens, sondern nur eine kluge Auswahl der Nahrungsmittel („vielseitig und abwechslungsreich“).
Dass die Häufigkeit des Essens, bzw. das Fehlen von Essenspausen der viel wichtigere Grund sind, wird nicht einmal im Ansatz erkannt. Wie kann man so auch nur denken, wo doch die angeblich allwissende halboffizielle Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE), die offensichtlich mit der Politik und der Wirtschaft eng verflochten ist, seit Jahrzehnten den Unsinn predigt, dass man „5 x am Tag“ Obst und Gemüse essen solle. Damit sind schon zwei Zwischenmahlzeiten außerhalb von Frühstück, Mittag- und Abendessen als gesund abgesegnet. Aber wo sind die Kampagnen der Gesundheitspolitik gegen den immensen Konsum von Knabbersachen und Softdrinks? Sieht man bei der DGE genau hin, stellt man fest, dass sie nicht einmal ein Minimum an roher Nahrung für zwingend erforderlich hält. Das ist ein gewaltiger Fehler, aber das ist ein Thema für sich.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, genauer gesagt: bis zum Tage der Einführung der Währungsreform in den westlichen Besatzungszonen (als es wieder alles gab!), hatte in der ganzen Bevölkerung die Regel Geltung,
- dass man sich zu festen Zeiten in Ruhe zum Essen niederließ und dazwischen nichts aß.
Ich habe noch den Spruch der Eltern im Ohr: „Junge, verdirb Dir nicht den Appetit für das Essen!“ Diese Esskultur ist tot. Heute essen sehr viele Leute sogar in aller Eile beim Gehen und beim Autofahren.
Zwischenmahlzeiten stören die Konzentration auf die Arbeit
„Ein voller Bauch studiert nicht gern!“, das weiß jeder und doch wird die darin liegende Weisheit selten beachtet. Es ist aber nicht nur der richtig volle Magen, der stört, sondern bereits jede nennenswerte Arbeit, die der Magen und nach ihm der Dünndarm zu verrichten haben. kaum ist die Nahrung durch die Speiseröhre im Magen gelandet, leitet der Körper den Blutstrom entweder in den Magen oder direkt in den Dünndarm.Die allgemeine Öffentlichkeit und selbst viele Therapeuten haben keine Ahnung davon, dass es da einen wichtigen Unterschied gibt.
Ob die den Korpus des Magens umhüllenden mächtigen Muskeln mit Blut und den in ihm enthaltenen Nähr- und Funktionsstoffen versorgt werden, hängt davon ab, ob der Magenpförtner diese Nahrung festhält oder passieren lässt. Kommt pflanzliche Nahrung ausreichend fein vermahlen in den leeren Magen, läuft sie entlang der sog. inneren Kurvatur des Magens bis hinunter zum Magenboden, weiter gleich seitlich zum Boden des Pförtnervorhofs (Antrum pylori) und läuft schließlich ganz still durch die in Ruhe immer leicht relaxierte Kanüle des Magenpörtners in den Zwölffingerdarm (Duodenum). All das spielt sich im eher basischen Milieu ab, weil die Magenwände, in denen die Drüsen zur Herstellung der Magensäfte liegen, dabei überhaupt nicht geweitet werden.
Im Dünndarm ist dann aber gleich der Teufel los: durch die feine Vermahlung der Pflanzenstoffe haben diese eine extrem große reaktive Lebensmitteloberfläche, die auf die durch die internen Faltungen des Dünndarm großen Verdauungsoberflächen des ganzen 5 Meter langen Dünndarms trifft.
Für diese intensive Verstoffwechslungsarbeit und für die nachfolgende Übernahme der Mikronährstoffe ins Pfortadersystem und in die Lymphgefäße braucht der Dünndarm Energie (Glukose), die ihm durch das anströmende Blut aus dem Körper gegeben wird. Der Vorteil dieser Essweis ist, dass die Verstoffwechslung nicht viel Zeit braucht. Etwa nach einer Viertelstunde kann die Blutmenge bei Bedarf wieder mit Schwerpunkt an das Gehirn abgegeben werden. Werden bei dieser Art der Nahrungsaufnahme übrigens nur geringe Mengen an Kohlenhydraten frirsch ins Blut abgegeben – nach Professor Dr. Adam aus München nicht mehr als 10 Gramm -, wird übrigens noch kein Insulin gelockt. Eine etwa laufende Fettverbrennung im Körper wird dadurch nicht unterbrochen.
Wird die Nahrung erst im Magen festgehalten, braucht er selbst zur Absolvierung seines langatmigen Programms jede Menge Blut aus dem arteriellen Blutkreislauf. Es setzt nämlich nach der Aufschichting der Nahrung und ihrer Säuerung im Magen eine etwa 1/2 stündige Durchmischung des Nahrungsbreis (Chymus) statt, dem nach einer gewissen Neutralisierung des Chymus das Hauptprogramm des Magens folgt. Bei diesem wird der Chymus in einer 20 sekündigen Sequenz von den von der Magenmitte über den Eingang des Duodenums hinaus reichenden Muskeln kräftig durchmischt, bis endlich mit einer heftigen Muskelkontraktion etwa 5 % des Mageninhalts durch den Magenpförtner hindurch ins Duodemum gespritzt werden. Der Rest wird mit einem mächtigen Muskelstoß wieder in die Magenmitte zurückbefördert. 3 Minuten später wiederholt sich der Vorgang, bis am Ende mal der Magen leer ist – falls nicht eine Zwischenmahlzeit ankommt und das ganze Programm wieder ganz von vorne anläuft.
Solange der Magen schwer zu arbeiten hat, macht es keinen Sinn, das Hirn stark mit der Erfüllung von Aufgaben zu belasten.
Kaum jemand kennt diese Zusammenhänge. Deshalb rätselt man immer wieder herum, was denn der Spruch besagen soll: „Nach dem Essen sollst Du ruhn‘ oder tausend Schritte tun!“ Man soll nämlich weder herumlaufen noch seinen Gehinskasten ernsthaft herausfordern, wenn man gegessen hat. Man soll ruhen! Nur wenn man unbedingt meint, gleich wieder etwas leisten zu müssen, ist es gut, sich mit einem kleinen Spaziergang auf die Blutverteilung außerhalb des Verdauungstrakts vorzubereiten.
Absolut richtig ist nur der Spruch: „Erst kommt die Arbeit, dann das Vergnügen.“ Das gilt uneingeschränkt auch für das Essvergnügen.Daher stürze ich mich täglich immer früh in meine Arbeit ohne tagsüber jemals so viel zu essen, dass es nicht schnell verstoffwechselt würde und esse dann erst am frühen Abend nach Herzenslust, wonach es mich gelüstet.
Zwischenmahlzeiten unterbinden lebenswichtige hormonelle Abläufe
Wenn jemand außerhalb der Mahlzeiten mal ein Stück Torte ist, weil ein Arbeitskollege seinen Geburtstag feiert, ist das gewiss kein Schaden. Es kommt darauf an, wie man normalerweise isst. Dabei allerdings ist es unerlässlich zu wissen, dass der menschliche Körper für den Erhalt seiner Gesundheit darauf angewiesen ist, praktisch täglich wenigstens einmal den leeren Magen zu erleben.
Während man sich schon unter Anwendung seines gesunden Menschverstandes zusammenreimen kann, dass es unklug ist, frei von einer durchdachten Esskultur und ohne Berücksichtigung der Unverträglichkeit von Arbeit und Essen alle drei Hauptmahlzeiten und noch weitere Zwischenmahlzeiten zu sich zu nehmen, geht es beim Wissen um die gesundheitliche Bedeutung des leeren Magens um konkrete vollständig abgesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Biochemie, der Gastroenterologie, der Endokrinologie (Hormonlehre) und der Gehirnforschung. Diese Erkenntnisse, die jetzt erstmals in deutscher Sprache im Buch des bedeutenden japanischen Arztes Dr. Yoshiro Nagumo „Ein leerer Magen macht gesund“,Goldmann, 2014 nachzulesen sind (s. hier auch http://www.essenspausen.com/regeneration-im-schlaf-lebenserhaltung-verjuengung/), sollten den letzten Ausschlag geben, die Unsitte des Verzehrs von Zwischenmahlzeiten ganz zu beenden.
Um mich nicht ständig wiederholen zu müssen, erläutere ich das neue Wissen ganz kurz: Nur wenn der Magen tagsüber mal ganz leer ist, stellt der menschliche Körper das „Hungerhormon“ Ghrelin her, das neben dem Effekt, dass es den Menschen zur Nahrungssuche antreibt (ähnlich wie das gleichermaßen auf den leeren Magen aufgerufene Hormon „foxa 2″) die noch viel wichtigere Funktion hat, dass es in den beiden ersten Phasen des nächtlichen Schlafs das Wachstumshormon Somatotropin an eine für den Erhalt unserer Gesundheit unerhört wichtige Arbeit bringt:
Das Wachstumshormon Somatotropin „scannt“ regelrecht alle an die 100 Billionen Zellen unseres Körpers auf eventuelle Schäden an ihrem Erbgut und repariert sie sogleich!
Als ich das zu ersten Mal hörte, wusste ich nicht, was sich abenteuerlicher anhört, die entlegenen Vorstellungen der vielen esoterischen Welterklärer oder diese angeblich wissenschaftlich gesicherte Behauptung.
Aber wirklich fremd war mir die Erklärung, dass für die Gesundheit so viel von der regelmäßigen Herstellung des leeren Magens abhängt, dann doch nicht. Schließlich habe ich vor 15 Jahren entdeckt und nutze es täglich immer weiter, dass der Verzehr einer kleinen Portion nativer Pflanzenkost auf leeren Magen (infolge der oben beschriebenen intensiven Verstoffwechslung und des daruch ausgelösten Nervenreizes) die körpereigene Produktion des Schlüsselhormons Serotonin lockt, wenn zu dieser Zeit der Serotoninlevel niedrig ist. Gelockt wird Serotonin in seiner Funktion als Esskontrollhormon, steht dann aber auch für die große Zahl seiner anderen Aufgaben im Gehirngeschehen zur Verfügung. Der Ernährungslehrer Gordon Freeman Fraser hat dies ganz offensichtlich selbst erfahren und als Erster schon Anfang der 90er Jahre das Essen von Pflanzenkost auf leeren Magen propagiert, obwohl zu seiner Zeit die Ergebnisse der Hormonforschung noch gar nicht vorlagen, s. http://www.essenspausen.com/gordon-freeman-fraser-vordenker-des-richtigen-essens. Fraser hat darüber hinausgehend eine weitere wichtige Grundregel des klugen Essens gefunden, die man als er sie fand auch noch ncht zwingend wissenschaftlich besichern konnte:
Vor jeder „normalen“ Mahlzeit soll man ein klein wenig Rohkost zu sich nehmen!
Die überzeugten reinen Rohkostler haben festgestelt, was sich in Versuchen bestätigte, dass der Verzehr gekochter Nahrung die weißen Blutkörperchen aus dem ganzen Körperabzieht und in Rochtung auf den Verdauungsapparat schickt, als wenn es eine Entzündung abzuwehren gälte – offenbar sind wir evolutionär noch immer nicht ganz an gekochte Nahrung gewöhnt. Den Vorgang nennt man die Verdauungsleukozytose. Allerdings endet dieser Aufzug der weißen Blutkörperchen noch bevor er den Darm endgültigerreicht und alles in O:K. Was das realiter zu bedeuten hat, weiß niemand. Sicher ist nur, dass die Verdauungsleukozytose ganz unterbleibt, wenn man vor dem Essen gekochter Nahrung einen Bissen (oder einen Schluck) roher nahrung zu sich nimmt!
Ein Nachtrag:
Über die klugen Festestellungen des Sportwissenschaftlers Professor Dr. Ingo Froböse von der bekannten Sporthochschule Köln hatte ich wiederholt geschrieben, s.http://www.essenspausen.com/ergonomie-fuer-leistung-training-fuer-leistungsfaehigkeit/ und http://www.essenspausen.com/muskelaufbau-hat-grosse-bedeutung-fuer-den-ganzen-menschen/
Gerade gestern abend gab er im Tischgespräch mit dem Informationssender WDR 5 einige zusammengefasste Ratschläge, die all die vorstehend dargelegten Erkenntnisse bestätigen:
- Saisonal verfügbare regionale Agrarprodukte sollten unsere Nahrung sein.
- Zwischengerichte sind unbedingt zu meiden
- Der Verdauungsapparat braucht Ruhezeiten, nach jedem Essen etwa 4 – 5 Stunden
- Immer in Ruhe und mit Genuss essen – niemals im Gehen
- Regelmäßige Bewegung ist unverzichtbar, wenigstens auf ein Minimum ist zu achten