SEX OUT: 3. Der Missbrauch des Sex
Erstellt von r.ehlers am Dienstag 11. August 2015
„Sex ist nicht immer harmlos“ überschreibt Walter Schmid in dem Büchlein SEX OUT sein 5. Kapitel. Der SEX Out, wie ihn Xanthippe offenbar ihrem Mann Sokrates einfach zumutete, weil sie nichts mehr von ihm wissen wollte, ist ja auch nicht harmlos, weil der ungefragte SEX OUTin sehr vielen Fällen fast zwangsläufig die Gemeinschaft beendet.SEX ist zwar ein Spiel, er ist aber wie in Teil I dargestellt, auch enorm wichtig.Der einseitige Liebesentzug wird daher als böse empfunden und der geprellte Partner zieht sich in seine Autonomie zurück.
Sex ist überhaupt kein harmloses unterhaltsames Speil mehr, wenn er zur Erreichung eigennütziger Ziele eines der Partner eingesetzt wird. In diesem Zusammenhang sind Schmids Ausführungen zum maßlosen Narzissmus von Interesse, der von Männern wie von Frauen ausgehen kann, wenn er auch bei Frauen weit häufiger anzutreffen ist.
Schmid schreibt,
- „dass es einem Menschen beim maßlosen Narzissmus nur noch um sich selbst geht, kenntlich auch am überschäumenden Charme, mit dem er Andere ködert, um sie unmerklich ganz und gar in Besitz zu nehmen.“
Hier zeigt sich eine hervorragende Beobachtungsgabe des Autors. Jeder kennt doch diese überschwänglichen Typen, die jedem gegenüber, von dem sie sich innerlich etwas verprechen, ohne erkennbaren Grund extrem freundlich gegenüber treten.Es sind dieselben Menschen, die dann wenn jemand etwas von ihnen will, ihnen etwa was verkaufen möchte, diese gnadenlos herabwürdigend behandeln.
Der Sexpartner einer solchen Person wird nach demselben Schema „bearbeitet“, er ist ja sogar ihr erstes bedeutendes Opfer. Sexuelle Begegnungen mit einer solchen Medusa verlaufen nach demselben Muster des vorgeschobenen größten Interesses am Anderen, hinter dem nur die erbärmliche Einsamkeit des Narzissten wohnt. Ein Mann, der von einem solchen Wesen ausgewählt wird – und natürlich suchen die besser rechnenden Frauen sich den Partner aus und nicht die im Sexrausch verblindeten Männer – kann noch so guten Willens sein. Es hilft alles nichts. Er kann auf sein Weib einreden wie er will und ihr jeden Wunsch erfüllen. Sie wird mit ihm nicht über sexuelle Probleme und Möglichkeiten reden. Sie weiß.was sie will und nur das zählt – und das ist eben nicht die sexuelle Gemeinschaft. Er aber ist verloren bis er in den Genuss des SEX OUT mit ihr und der Trennung von ihr kommt.
-de.wikipedia.org-
Giacomo Casanova
Ahnlich gefährlich für das -in diesem Fall praktisch immer weibliche -Opfer ist die Begegnung mit einem Sexschwindler, eine glücklicherweise nicht so schrecklich häufige Spezies, von der der Heiratsschwindler nur eine Unterart ist.
Vielleicht war Giacomo Casanova ein solcher Sexschwindler. Wie kann er auch bei seinen so zahlreichen Liebschaften es auch mit allen ernst gemeint haben?
Der Sexschwindler ist ähnlich wie die vor Charme sprühende Medusa immer darauf aus, bei den Frauen, die er erobern will, zu punkten. Er macht ihnen den Frauenversteher, der er aber gar nicht ist. Jedenfalls beherrscht er das Gehabe eines Kavaliers und bezeugt jeder Frau, von er vielleicht etwas will, seine volle Aufmerksamkeit. Er weiß, dass sie ihm nur zu gern glauben und dass es sich gar nicht viele Gedanken darum machen muss, ob ihm seine Schwüre auch abgenommen werden. Der Heiratsschwindler, wie ich ihn in meier Zeit als Strafverteidiger kennengelernt habe, schafft es sogar, der angeblich Angebeteten alle irdischen Güter abspenstig zu machen. Die Klaviatur, mit der er seine Gesänge begleitet, kann einfacher nicht sein und klingt in der Ohren der Frau doch betörend.
Bezeichnender Weise kann der Sexschwindler eigentlich keine Frauen leiden. Er will sie nur erobern, sie „herum kriegen“. Gelingt ihm das, interessieren sie ihn nicht mehr. Respekt hat er nur vor Männern, denen er sich gern als erfolgreicher Aufreißer von Frauen präsentiert. Frauen dagegen, von denen er sich nichts erwartet, behandelt er auf übelste Weise geringschätzig und ungerecht.
Nicht auf Deubel komm raus bei der Stange bleiben!
Ganz am Ende seines schönen Büchleins kommt Wilhelm Schmid zum Schwur:
- „.. die Gewöhnung an den gelegentlich oder länger wärenden SEX OUT ist möglich, wenn der Betroffene sich sagen kann: Endlich Ruhe an dieser Friont! Endlich Zeit, zur Besinnung zu kommen,… der endlosen Weite der Gedanken zu folgen, ohne von aufwallenden Leidenschaften einggengt zu werden,,. ohne Gefahr einer Demütigung durch sie, die so dikatorisch nach Erfüllung verlangen, und ohne Abhängigkeit von einem Anderen, der widersprechend nachgibt oder auch nicht! Nicht nur ist guter Sex eine Wohltat, auch ein akzeptierter Sexout kann es sein. Das Leben ist reicher, als der Sex uns glauben macht“.
Den endgültigen Ausstieg nennt Schmid eine disruptive Innovation.In ihr öffnet der radikale Bruch den bis dahin verschlossenen Horizont. Schmid beschreibt die Urerfahrung des Auf und Ab in den triebhaften Begegnungen im Leben des Menschen mit der Arbeit des Sisiphos, der immer wieder eine schwere Lst bis auch einen Gipfel hinauf trägt,um sie dann dank der Schwerkraft wieder zu verlieren. Schmid fragt,warum wir dann nicht gleich unten bleiben oder aber die Last auf halber Höhe abzulegen, um nicht am Ende wieder den allzu langen ganzen Weg hinauf zu müssen.
Ob Philipp Dittberner & Mary mit dem schönen Lied Wolke 4 eine Anleihe bei Schmid gemacht haben? Sie singen:
„Lass uns die Wolke vier bitte nie mehr verlassen
Weil wir auf Wolke sieben viel zu viel verpassen
Ich war da schon ein Mal, bin zu tief gefallen
Lieber Wolke vier mit Dir als unten wieder ganz allein“