SEX OUT: 2. Die Kunst des Sex
Erstellt von r.ehlers am Dienstag 11. August 2015
Über die Kunst des Lebens sinnieren wir alle immer wieder einmal. Gründlich angegangen sind das Thema aber immer nur wenige Menschen, ganz besonders gründlich natürlich die Philosophen.
Meine Entdeckung der großen Möglichkeiten der Nutzung des leeren Magens hat mich unmittelbar zur Erkenntnis geführt, dass wir – von Ausnahmen abgesehen – in der ganzen Gesellschaft schwerste Essfehler begehen, unter denen wir schwer zu leiden haben. Ich kann nur hoffen, dass uns geht die Kunst des Richtigen Essens nicht für alle Zeiten abgeht.
Und ist es mit der Kunst des Sex etwa anders? Mitnichten. Es hat zwar eine sexuelle Befreiung gegeben und die seit den 50er Jahren geborenen Generationen von Menschen wie auch Wilhelm Schmid (*1953) , die von Adenauers Konservatismus nur einige Nachwirkungen mitbekommen haben, sind sogar erstmals in der Lage, über Sex zu reden. Meine Wurzeln liegen noch eine Generation davor, meine Elterngeneration war sogar noch voll der Tabus für alles, was auch nur irgenwie mit Sex zu tun hatte.
Wenn wir heute lesen wollen, stehen uns erotische und sexistische Schilderungen zur Verfügung, die nicht mehr nur noch um den heißen Brei herumturnen wie noch „Lady Chatterley’s Lover“ von D.H. Lawrence und selbst der großartige „Felix Krull“ von Erich Kästner. Schmid erwähnt da Anais Nin und Henry Miller , man kann da auch Eric von Lustbaders „Miko“ nennen.Über das Internet haben wir jederzeit bildstarken Zugang zu Sexaktivitäten aller Art (You Porn u.a.). Aber hat uns das dazu gebracht, die Kunst des Sex im Interesse unseres Partners und des eigenen Selbst erfolgeich auszuleben?
Haben wir das etwa irgendwo gelernt?
Nighthawks (1942) – Edward Hopper
„Auch Sex will gelernt sein“ überschreibt Schmid das 5.Kapitel seines kleinen Buches über den SEX OUT.Mit den etwas freieren Sexpraktiken ist es nach seiner überzeugenden Darstellung nicht getan.Insbesondere ist damit noch nicht das Spiel der Erotik gewonnen, das den gekonnten Einsatz aller Sinne verlangt und die Einstellung, den Partner wirklich in seiner Andersartigkeit versteen und „bedienen“ zu können. Ein wenig lustig macht sich Schmid über die heute anzutreffeden „ziemlich großartigen Blowjob-Künstlerinnen“, meint dann aber doch, dass eine „Beschäftigung mit der Oral History der anderen Art (..) der Gegenwart einige Anregungen zur Verfeinerung der Praxis geben könnte“ (S. 61). Gleiches gilt natürlich für die faulen Kerle, die lernen müssen,“ den Mund auf etwas andere Weise voll zu nehmen“ (S. 58). Was nutzt denn auch die ganze Turnerei, wenn weder die Frau noch sonstwer dem Mann sagt, dass er nicht zur Beschleunigung des Verfahrens zielgerichtet auf den Auslösepunkt (Klitoris) der Frau losstürmen darf, sondern ihrem Wunsch nach einem guten Ambiente, einer geduldigen Annäherung und schließlich alle ihrer erogenen Zonen ins Geschehen einbeziehen muss. Es gibt Frauen, die ein Mann niemals erreichen kann, wenn er nicht begreift, wie sehr es sie mitreißt, wenn er ihre Pobacken zart streichelt. Und umgekehrt: Was soll das stümperhafte Herumreißen am männlichen Glied, um die Erektion zu sichern oder einen Orgasmus herbeizuzwingen? Wer bringt es den Frauen bei, dass der ihrer Klitoris vergleichbare Lustpol des Mannes, die Eichel, nur beim Reiz der unteren Naht die höchsten Wonnegefühle auslöst, dass aber eine übertriebene Reizung der Oberseite oder der beiden Seiten ihm nur die Fußsohlen heiß werden lässt aber ihn sonst eher stört? Neben solchen praktisch allgemein zu findenden Gegebenheiten gibt es natürlich viele ganz indiduelle Vorlieben zu entdecken, mit denen der Partner sexuell angesprochen werden kann.
Diese Dinge kann der Mensch leider nicht zuhaise und auch nicht in der Schule lernen. Manche lernen – direkt und indirekt – von erfahrenen käuflichen Partneren, was aber beileibe nicht jedem Recht ist. Wenn sich daher ein bedeutender Philosoph wie Wilhem Schmid, der sich der philosophischen Lebenskunst verschrieben hat, dieser Dinge annimmt, ist das gar nicht hoch genug zu achten. Wenn meine Kinder nicht längst aus den Jugendjahren heraus wären, würde ich ihnen das kleine Büchlein über den SEX OUT schenken, das ja viel mehr als ein Versuch des Trosts über sein Ende ein Buch darüber ist, wie der Sex (wieder) in sein kann.