Foodwatch gegen TTIP
Erstellt von r.ehlers am Sonntag 3. Mai 2015
Hätten Sie es gedacht, dass die größte Bedrohung eines selbstbestimmten freien Lebens in aller Welt von den großen globalen Konzernen ausgeht, deren bekannten Handelsnnamen wir voll vertrauen? Krass gesagt: Die Unternehmen, die uns unser tägliches Essen verkaufen, unseren Strom und die vielen Gebrauchsgüter, auf die wir angeblich nicht verzichten können, sind dabei, in ihrem egoistischen Interesse endgültig unsere Zukunft zu bestimmen.
Weil ich als Jurist die Fallstricke des kommenden sog. Freihandelsabkommens TTIP zwischen den USA und der Europäischen Union kenne, wettere ich wie viele andere auch schon seit Jahren in diversen Medien dagegen, habe aber nicht die Macht, viel zu bewegen. Der führende Kopf der Bewegung gegen die Vereinnahmung der demokratischen Länder durch die allein ihrem Gewinn verpflichteten Konzerne ist der Autor des überzeugenden Bestsellers über TTIP, Thilo Bode. Er ist auch der Mitbegründer der wichtigen Verbraucherschutzeinrichtung Food Watch.
In letzter Zeit, ganz besonders seit jetzt öffentlich-rechtliche Sendeanstalten zusammen mit der Süddeutschen Zeitung aufgedeckt haben, dass die Bundesregierung – voran Kanzleramt und Kanzlerin – seit 7 Jahren voll darüber informiert ist, dass der deutsche Geheimdients BND zusammen mit dem amerikanischen Geheimdienst NSA Politiker und Unternehmen in Europa – besonders in Paris und Brüssel- im amerikanischen Interesse gnadenlos ausspioniert hat, weiß ich gar nicht mehr, ob das Unwort des vergangenen Jahres von der „Lügenpresse“ wirklich für alle unsere Medien gilt.
ARD Alpha „Denkzeit“ strahlte gestern abend, 2.5. 2015, eine Podiumsdiskussion mit Thilo Bode und einem Verfechte des TTIP-Abkommen aus, nach dem jeder Gedanke an eine generelle Verschwörung zwischen den Medien, der Politik und den Konzernen irre erscheint.
Wohlgemerkt: die Gleichschaltung der Medien ist tatsächlich nicht generell sicher, umsomehr ist dies aber die Hörigkeit der Politik der westlichen Länder von den globalen Konzernen, denen ja auch zum weit überwiegenden Teil das Vermögen in unserer Welt gehört.
Nur kurz zur Rekapitulation die Kernpunkte der Kritik an TTIP:
- Der Name Freihandelsabkommen suggeriert, dass bestehende Zölle gesekt werden sollen. Diese sind aber transatlantisch kaum noch vorhanden. Es geht bei TTIP um die Freiheit der Wirtschaft – erst zwischen USA und Europa, dann im Rest der Welt – von staatlicher Regelung. Nur wenn beide Seiten gleiche Regeln zum Verbraucherschutz, Umweltschutz oder sonstigen Fragen des Allgemeinwohls haben, dürfen sie Bestand haben. Hat eine Seite schwächere oder keine Regeln, gelten deren Standards – heutzutage generell die der USA, die in diesen Fragen weit hinterher hinken.
- Was dann gelten soll, wenn Europa oder einzelne Länder in Europa die Einfuhr von Waren aus den USA verbieten wollen, weil sie nach unseren Vorstellungen gesundheitsgefährlich sind, ist ein Stück aus dem Tollhaus: Die einfuhrwilligen amerikanischen Unternehmen können dann vor privaten Gerichten, die von beiden Seiten paritätisch ausschließlich mit solcher Materie vertrauten Schiedsrichtern (!) besetzt werden können, gegen die Europäer auf Zulassung der Einfuhr und vollen Ausgleich des ihnen durch die bisherige Versagung der Einfuhr entstandenen Schaden klagen.
Der Teufel stekct im Detail: Private Schiedsrichter, die mit solcher Materie vertraut sind, findet man allein im anglo-amerikanischen Rechtskreis und in derNähe der globalen Konzerne.
Tholo Bode hob in der gestrigen Diskussion noch einmal deutlich hervor, dass damit nicht nur die Gesetzgebung der europäischen Länder ausgehebelt wird, sondern auch die der „dritten Gewalt“, der Justiz. Demokratie? Gewaltensteilung? Der Rechsstaat soll aber angeblich beachtet sein, weil TTIP ein völkerrechtliches Abkommen ist, das Rang vor den staatlichen Gesetzen hat. Ich meine, dass das ganze Verfahren krass gegen Kerngebote unserer Verfasung steht. Aber kann man ruhig zusehen, wie die Betreiber dieses Wahnsinns rechtlich gegen die Wand laufen? Ist man nicht vor Gericht und auf hoher See nur in Gottes Hand?
ARD Alpha hatte offenbar Schwierigkeiten gehabt, überhaupt einen Experten zu finden,der in der Diskussion vielleicht dem bestens informierten und überzeugend vortragenden Thilo Bode das Wasseer reichen könnte. Etwas halbherzig fand sich der wirtschaftsliberale Leiter der Wirtschaftsredaktion der Süddeutschen Zeitung, der in seiner Abteilung sonst nur TTIP-Gegner sitzen hat. Der Redakteur Nicolaus Pieper ging mit seinen dürftigen Argumenten aber auf geradezu mitleiderregende Weise kläglich unter.