Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Essen nach 18.00 Uhr macht dick?

Erstellt von r.ehlers am Mittwoch 11. März 2015

Das neue Buch von Maike Ehrlichmann sorgt für Freude beim Kochen

Mit Herrn Wolfgang Spieß, dem ungemein fachkundigen engagierten Herausgeber des „Vitaljournals“, tausche ich seit einigen Jahren immer wieder interessante Informationen über neue Erkenntnisse aus, die Hilfen im Bemühen um den Erhalt der Vitalität und der Gesundheit geben können.

Gerade erhalte ich von ihm einen Hinweis auf den Artikel „MYTHEN zum Thema Essen“ der Ernährungswissenschaftlerin und Autorin Maike Ehrlichmann, abgedruckt in Demeter Journal 1/2015, von dem ich das folgende kleine Kapitel wörtlich wiedergebe:

„Essen nach 18 Uhr macht dick?

Auch hier zählt die Individualität. Die Chronobiologie kennt unterschiedliche Chronotypen: den Frühaufsteher, den Normaltyp, der den Großteil der Bevölkerung ausmacht, und den Spätaufsteher. Sie haben unterschiedliche Rhythmen in der Stoffwechselaktivität, die auch in der Ernährung wirken. Was jedem gut tut: 12 Stunden Pause zwischen dem Abendessen und der ersten Mahlzeit des Tages. Für gute Nachtruhe sorgt ein Abstand von etwa drei Stunden zwischen der letzten Mahlzeit und dem Schlafengehen. Und richtig ist: Wer abends wenig isst, vor allem die Kohlenhydrate reduziert, senkt seinen Insulinspiegel und kann folglich die Nacht gut nutzen, um die Fettreserven anzuzapfen. Außerdem kann sich über die Esspause das fein abgestimmte System der Hormone für Hunger und Sättigung optimal ausbalancieren. Aber an den festen Termin 18 Uhr ist das nicht gebunden.“

Besonders über den „griffigen“ Begriff „Schlank im Schlaf“, der für die Ernährungslehre von Dr. Pape aus Essen steht, hat sich in vielen Köpfen die Vorstellung verankert, dass man generell abends nach 18.00 Uhr keine kohlenhydratreichen Mahlzeiten mehr verzehren soll. Schon die Trennkost will amAbend keine Kohlnhydrate mehr zulassen und sieht abends nur noch eiweißreiche Nahrung vor. Begründet wird das genauso wie hier von Maike Ehrlichmann, dass Kohlenhydrate für den Anstieg von Insulin sorge. Tatsache ist,dass dieses „Dickmacherhormon“  durch die Blockierung der Rezeptoren der Fettzellen bis zur abschließenden Verteilung der Kohlenhydrate an seine Abnehmer (Körperzellen, Organe) absolut keinen Fettabbau zulässt. Mit dem Hinweis auf „das abgestimmte System der Hormone“ spricht die Autorin insbesondere die Rolle des Wachstumshormons Somatotropin an, das unsere einzige Hilfe in der Nacht ist, durch Besetzung der genannten Rezeptoren das Fett aus den Fettzellen ablaufen zu lassen.

Damit ist zugleich der einzige richtige Punkt bei der häufigen Behauptung angesprochen, dass die Verdauungsorgane in der Nacht nicht gut arbeiteten. Diese Behauptung ist in ihrer Allgemeinheit nicht nur unbegründet, sie ist schlicht falsch.

Natürlich soll man abends nicht so schwer essen, dass der Magen prall gefüllt ist und die Magensäure den Mageneingang hindurch hoch in die Speiseröhre gedrückt wird (Reflux, Sodbrennen).

Wer aber sein Körpergewicht nicht reduzieren will, kann unbesorgt sein Abendmahl weit später als 18.00 Uhr legen und direkt danach den Schlaf suchen.

Die Kontrolle des Körpergewichts ist auch nach allen neuen spannenden Erkenntnissen über die Abläufe der Verstoffwechslung und Nutzung unserer Nahrung immer noch auch ein Problem der Aufnahme von mehr Kalorien als verbraucht werden. Damit spielen aber psychische und verhaltensbedingte Momente, die auch, aber eben nicht allein von den Hormonen gesteuert werden wie Hunger, Appetit, Essensfreude, Essen aus Frust und aus Gewohnheit eine mitentscheidende Rolle, ob der Übergewichtige abnehmen kann oder nicht. Unter diesem Aspekt ist es von Vorteil, abends nicht zu früh zu essen und sich nach dem Abendessen gleich schlafen zu legen. Dann nämlich entgeht man der Versuchung, stundenlang vor dem Fernseher festzuhängen und jeden Unsinn mitzunehmen, während man die unweigerlich aufkommende Langeweile mit Knabbersachen aller Art (besonders „süß und fettig“) verdrängt.

Wie ich bereits in meinem Beitrag vom 5.2.2015 – http://www.essenspausen.com/leerer-magen-macht-gesund/ – erläuterte, ist die nächtliche Fettverbrennung dadurch zeitlich sehr eingeschränkt, dass das

  • Wachstumshormon Somatotropin chronobiologisch zwingend auf die Zeit 4 Stunden von 22.00 am Abend bis 02.00 Uhr in der Nacht festgeschrieben ist.

Nach 02.00 Uhr nachts findet kein Fettabbau mehr statt – gleich wann man was gegessen hat! Damit ist die Bedeutung des Programms „Schlank im Schlaf“ weitgehend eingeschränkt. Ist es wirklich vonnöten, ergänzend zum Fettabbau tasüber auch die ersten Stunden des Schlafs zum Fettabbau zu nutzen, muss man je nach der Art der zuvor aufgenommenen Nahrung schon sehr früh essen. Ein typisches abendliches Hauptgericht etwa mit Fleisch, Gemüse, Kartoffeln und Sauce verlässt den Magen komplett erst nach etwa 6 Stunden  (fetteres Essen braucht deutlich mehr). Um ab 22.00 Uhr schlafen und Somatotropin an den Fettabbau zu bringen, müsste man das Abendessen schon auf 16.00 Uhr, also mitten in den Nachmittag, hinein legen.Wo wäre da denn der Vorteil im Volumen des Fetabbaus, wenn ich den Fettabbau tagsüber durch die Rückverlagerung des Zeitpunktes für das Abendessen zeitlich reduziere, um den Fettabbau von 22.00 bis 02.00 Uhr „mitnehmen“ zu können?

Man hat ja die Möglichkeiten, tagsüber durch die Wirkungen des Stresshormons Adrenalin, das auch Fettzellen öffnen kann, zum Fettabbau zu kommen. Auch das setzt natürlich voraus, dass tagsüber der Nachschub an Kohlenhydraten über die Nahrungsaufnahme mal beendet wird und der Magen frei wird. Die Dinge sind letztlich noch verquickter: Nur in der Zeit des leeren Magens bildet der Körper das Hormon Ghrelin aus, das der Grundstoff ist, aus dem sich in der nach Dr. Nagumo „heiligen Zeit“ von 22.00 bis 02.00 Uhr das Wachstumshormon Somatotropin (HGH)  bilden kann. So greifen die Fettverbrennung am Tag und das, was an Fettverbrennung in der Nacht möglich ist, ineinander.

Ich zeige nachfolgend einmalan einem Zeitband, wie knapp es mit der Zeit für den Fettabbau wird, wenn man bedenkt, dass tagsüber auch eine Zeit einkalkuliert werden muss, in der sich wegen des leeren Magens das Ghrelin bilden kann:

06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 o1 02 03 04 05

Fettabbau mit Adrenalin ist also nur möglich, wenn in den Stunden von 06.00 bis 22.00 Uhr der Magen leeer wird. Aber denken Sie sich in diese Zeit einmal nur die dreiHauptmahlzeiten hinein. Da wird es sehr bald sehr eng. Mir zeigt das, dass wir uns in der Evolution als Lebewesen in der Zeit der Knappheit von Lebensmitteln entwickelt haben und von der Natur dafür eingerichtet sind.

Einigen Bemerkungen von Maike Ehrlichmann in den ersten Sätzen des oben zitierten Auszuges aus dem Demeter Journal muss ich übrigens widersprechen.

 

Individualität

 Es gibt enorm viele angeborene und zusätzlich erworbene Unterschiede unter uns Menschen Der Geist wirkt zudem mit auf das Gemüt, das Gemüt wirkt auf den Körper und der Körper auf beide. Das sind reiche Quellen für unsere Individualität. Es ist aber ein Aberglaube, dass jeder Mensch anders verdaue, anders verstoffwechsle und Nahrungsinhalte anders nutze als alle anderen. Wenn einmal individuelle Schäden vorliegen, hat das natürlich weitreichende Einflüsse auch auf die Nutzung unserer Nahrung. Es gibt auch in jeder Region der Welt Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien, die nicht immer die ganze Bevölkerung treffen. Sonst aber essen alle die gleiche Nahrung, die von ihrem Verdauungsapparat auf gleiche Weise aufgeschlüsselt wird. Auch die Nutzung der Nahrungsbausteine ist gleich.

Die Gleichheit, nicht die Individualit ist daher die Regel beim Essen.

 

Chronotypen

 Der Begriff erinnert mich an die weit überholte Kretschmersche Typenlehre. Sie werden sich an die besonders im Dritten Reich gern übernommenen Einteilungen der Menschen erinnern in

  • Pykniker/ breit-rundlich/zyklothymer Charakter/Tendenz: manisch-depressiv
  • Athletiker/knochig-muskulär/viskös-erregbar-explosiv/Tendenz: Epilepsie
  • Leptosome/lang-schmal/starr-kühl-misstrauisch/Tendenz: schizophren
  • Dysplasiker/atypisch missgebildet/Tendenz Epilepsie

Versteht sich, dass nach der damilgen Rassentheorie der richtige Deutsche ein blonder Athletiker war, ein Arier eben (auch wenn niemand weiß, das ein Arier ist).

Es weißdoch eigentlich jeder,dass er nicht von Geburt an zwingend auf bestimmte Schlafenszeiten festgelgt ist. Wie viele Menschen haben aber von sich aus den Typus gewechselt, indem sie früher so spät wie die Eulen zu Bett gingen und später mit dem Gesang der Nachtigall wach wurden. Die Behauptung, dass es typusbedingte unterschiedliche Rhythmen der Stoffwechselaktivit und damit auch verschiedene Ergebnisse in der Qualität der Ernährung gebe, ist durch nichts belegt.

Es wäre ein Thema für sich, detailliert aufzuzeigen, dass alle solche Typenlehren auf Aberglauben beruhen:

  • Vier-Elemente-Lehre des Empedokles ( Erde, Wasser, Luft, Feuer)
  • Vier-Säfte-Lehre des Hippokrates (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle, Wasser)
  • Temperamentenlehre von Galen (analog zu den Vier-Säften des Hippokrates)
  • Blutbeschaffenheit nach Aristoteles (warm, kalt. trocken, nass)
  • Typenlehre nach C.G.Jung (extravertiert, introvertiert)
  • Vier-Quanten-Modell nach Herrmann (nach Bereichen des Gehirns)
  • DISG-Typen nach Marston (dominance, inducement, submission, compliance)
  • Enneagramm-Einteilung (je drei Typen aus Kopf, Herz und Bauch)
  • Astrologie mit 12 Typen(den Himmelskörpern zugeordnet , verbunden mit Vier-Elementen)
  • Dosha Lehre des Ayurveda (Vata – unstet-, Pitta – exzessiv-, Kapha – langsam)
  • Bioklimatische Reaktionstypen nach Curry (K-Typ, W-Typ)
  • Japanische Blutgruppendeutung

 

Was jedem gut tut

Angeblich sollen immer 12 Stunden Pause zwischen dem Abendessenund der ersten Mahlzeit des Tages liegen. Für jeden Menschentyp soll das gut sein. Auch bei jedem Menschen soll ein Abstand von etwa 3 Stunden zwischen der letzten Mahlzeit und dem Schlafengehen für gute Nachtruhe sorgen. Das ist so nicht nachvollziehbar.

Wenn wir im sonnigen Süden urlauben und ebenso spät essen wie die Spanier, Italiener, Jugoslawen und Türken, bekommt uns das wie diesen ganz gut. Natürlich halten wir uns nach dem späten Essen nicht künstlich wach, um erst 3 Stunden nach dem Essen in den Schlaf zu fallen und essen dann üblicherweise schon etwa 7 – 8 Stunden nach dem Ende der Abendmahlzeit unser Frühstück.

In meinem in Arbeit befindlichen Buch mit dem Arbeitstitel „Einmal am Tag. Essen nach der Arbeit, nicht davor, nicht dabei, nicht zwischendurch“ werde ich konsequent mit all solchen Ernährungsmythen aufräumen. Einmal am Tag zu essen, versteht sich, ist nur ein Ideal für den heutigen körperlich nicht, sonst aber durchaus stark geforderten Menschen, keine Regel für jedermann. Wie ich schon in meinem Buch „Essenspausen. Der einzige Weg zur nachhaltigen Gewichtskontrolle“, Via Nova, 2012 ausgeführt habe, sind in den Zeiten zwischen den Mahlzeiten (nach Prof. Dr. Adam) ohnehin kohlenhydratarme kleine Zwischenmahlzeiten mit allerdings weniger als 10 g Kohlenhydraten „zulässig“, was besagen soll, dass sie den Körper nicht aus einer laufenden Fettverbrennung (Neoglukogenese) herausnehmen.