Geschenktes Leben (Daniel Glattauer)
Erstellt von r.ehlers am Sonntag 21. Dezember 2014
Kann jemand, der nicht selbst den Kampf gegen den Alkohol kennt, das Buch „Geschenkt“ des Wiener Journalisten, Schriftstellers und Dichters Daniel Glattauer (2014, 335 S., 19,90 €) überhaupt verstehen?
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Über den Autor weiß ich auch nur das, was im Netz über ihn veröffentlicht ist. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Glattauers Buch nicht in mehrfacher Hinsicht autobiographische Züge hat, besonders in seinem
- Vertrauen auf den Fortgang des Lebens, ach angesichts großer Anfeindungen,
- seiner Erfahrung im guten menschlichen Umgang
- und in seiner Befreiung von der Macht des Alkohols.
Der Tilel des Buches und seine verlagsmäßige Bewerbung legen eher andere Schwerpunkte nahe, s. http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/geschenkt/978-3-552-06257-3/:
„Gerold Plassek ist Journalist bei einer Gratiszeitung. Bei ihm im Büro sitzt der 14-jährige Manuel, dessen Mutter im Ausland arbeitet. Er beobachtet Gerold beim Nichtstun und ahnt nicht, dass dieser Versager sein Vater ist. Gerold fehlt jeder Antrieb, die Stammkneipe ist sein Wohnzimmer und der Alkohol sein verlässlichster Freund. Plötzlich kommt Bewegung in sein Leben: Nach dem Erscheinen seines Artikels über eine überfüllte Obdachlosenschlafstätte trifft dort eine anonyme Geldspende ein. Das ist der Beginn einer Serie von Wohltaten, durch die Gerold immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt. Und langsam beginnt auch Manuel, ihn zu mögen … – Ein so spannender wie anrührender Roman, der auf einer wahren Begebenheit beruht.“
Die Schilderung, wie aus einer verkrachten Existenz ein fürsorglicher zweifacher Vater wird, zudem ein sozialer Mensch voller Weisheit und Lebensfreude, berührt sicherlich jeden Leser, auch wenn er mit dem Problem des exzessiven Alkoholgebrauchs durch den Protagonisten der Geschichte weniger vertraut ist.
Und doch ist bis ganz gegen Ende des Buches, als sich die Wende abzeichnet, der Alkohol der feste Begleiter des Romanhelden in jeder Sekunde seines Lebens.
Glattauer stammt aus dem bekannten Wiener Arbeiterviertel Favoriten. Kein Zweifel, dass er selbst dort auch seine Stammkneipe hatte wir Gerold Plassek die „Zoltan’s Bar“, in der er sich mit dem Betreiber Zoltan und seinen Zechgenossen regelmäßig traf. Die erstaunlichen Vorkommnisse in der Welt draußen, Plasseks wunderbares Zusammenwachsen mit seinem Sohn Manuel, der Eingang immer neuer Spenden bei den sozialen Brennpunkten, die Plassek journalisitsch herausgriff und sein Aufstieg zu einem ordentlichen, gut honorierten Reporter und selbst Plasseks neue Liebe Rebecca, werden in jedem Schritt von der festen Thekenmannschaft bei Zoltan’s registriert und kommentiert.
-de.wikipedia.org-
Typische Berliner Eckkneipe
Diese Nebenwelten am Stammtisch sind nicht nur typisch für den Wiener Gemeindebezirk Favoriten, selbst in der heutigen Zeit des Billigalkohols beim Discounter, des Flachbildfernsehens und Handy und Smartphone gibt es sie noch überall in unseren Breiten, im Ruhrpott, im Rheinland, in Berlin und in der Provinz. Der Umgang der festen Gäste untereinander ist überall ähnlich dem, den Glattauer in seinem Buch mit viel Sinn für Humor und voller Verständnis für die menschlichen Schwächen und Stärken beschreibt.
Bei allem Verständnis ist es für den engagierten und „szenekundigen“ Leser aber doch eine Befreiung, dass der Romanheld ganz am Ende doch die Kurve kriegt und sich und anderen nicht immer weiter vormacht, dass es mit ihm und dem Alkohol doch gar nicht so schlimm sei.
[Nur am Rande, kennen Sie den: Fragt der Arzt den Patienten: „Haben Sie Probleme mit dem Alkohol?“ Sagt der Patient:“ Iwo, den kann ich mir schon noch leisten.“]
Im Kapitel „Besuch bei 0,0 Promille“ (S.306 ff.) legt der Romanheld dem Doktor Günter Uland all die Wahrheiten in den Mund, die heute den gesicherten Stand des Wissens über die Macht des Alkohols und seine schreckliche Herrschaft über die Menschen wiedergeben. Inhaltlich geht es um genau die Dinge, die ich hier am 1.3.2013 einmal zusammengefasst habe,
s. http://www.essenspausen.com/alkohol-ist-ausschliesslich-ein-schaedliches-gift/