Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Statt Altersstarrsinn hohe mentale Flexibilität

Erstellt von r.ehlers am Freitag 7. November 2014

Wir müssen mal wieder wegen grundlegend neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse umdenken:

Bisher gingen die Experten davon aus, dass das menschliche Gehirn eine Ressource sei, die – wie der Knorpel zwischen den Gelenken – sich im Aufbau des menschlichen Körpers einmal einrichtet, und dann nur noch im ständigen Einsatz graduierlich abgenutzt wird. Allgemein ging man davon aus, dass Hirnzellen sich niemals vermehrten und sich auch nicht wieder erneuerten.Neuronale Verknüpfungen nahmen danach auch nur ab und nie zu. Zu diesen Fehlannahmen passt unser Vorurteil gegenüber „den Alten“ (in Frankreich den „petit vieux“), das sich in Begriffen ausdrückt wie z.B.

  • Altersstarrsinn und
  • sturer alter Bock.

Die ganze Summe der alten falschen Pauschalurteile findet sich auch noch bei Eperten, wie z.B. bei Prof.  Dr. med. Volker Faust, wenn er in seinem Internetbeitrag über die „Psychosoziale Gesundheit. Von Angst bis Zwang“, http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychohygiene/alter.html , folgendes schreibt

„Die wichtigsten seelischen und psychosozialen Beeinträchtigungen im höheren Lebensalter

Die meisten seelischen Beeinträchtigungen bis Störungen im höheren Lebensalter gehen auf zerebrale (Gehirn-)Abbauerscheinungen sowohl degenerativer (Zellzerfall) als auch vaskulärer (Gefäß-)Ursachen zurück. … Dazu zählen wachsende Defizite der intellektuellen Grundleistungen des Gedächtnisses, also der Merkfähigkeit, des Auffassungs- und Konzentrationsvermögens sowie der Aufmerksamkeit, insbesondere auf Dauer und unter Zeitdruck.

Mit zunehmendem hirnorganischem Abbau kommt es zur „progressiven Destrukturierung für so genannte höhere integrative Leistungen„ oder allgemeinverständlich: zur Abnahme der Urteils- und Kritikfähigkeit, zur gestörten Orientierung in Raum und Zeit und schließlich gar zur eigenen Person.  …. Das Denken erstarrt in Stereotypien und Monoideismus, wie die Fachleute sagen, also dem Überwiegen eines bestimmten Gedankenkomplexes, der alle übrigen Denkabläufe in seine Bahn zwingt oder gar abwürgt. …

Feinere Störungen des Persönlichkeitsgefüges zielen auf eine gewisse Nivellierung und Entdifferenzierung (also eine Art Vereinheitlichung auf verflachendem Niveau). Oder auf eine Vergröberung bestehender Charakterzüge sowie die überzogene Steigerung früher mehr oder weniger profilierter Eigenarten. Das heißt auf den Alltag übertragen: Der Vorsichtige wird ängstlich-zurückhaltend, der Sparsame geizig, der Extravertierte schwatzhaft-aufdringlich usw. ….“

Klingt vertraut, nicht? Dass die „kleinen Alten“ nicht nur am Körper, sondern gerade im Geiste verknöcherten und nicht mehr ganz voll zu nehmen wären, haben wir doch Jahrzehnte lang eingeblasen bekommen! Das aber hat sich inzwischen als radikal falsch erwiesen.

Umdenken müssen viele Menschen auch in der Beurteilung des Standorts der Heilpraktiker, denen gern die Ferne zur Wissenschaft vorgehalten wird – obwohl es absolut nicht unwissenschaftlich ist, in den weiten Bereichen der Heilkunde auf Erfahrungen zu setzen, in denen die Medizin weder die Krankheiten kennt noch die Wege zu ihrer Heilung kennt.

„Der Heilpraktiker“: Seit 81 Jahren Fachzeitschrift für Natur- und Erfahrungsheilkunde:

-thieme.de-

Jedenfalls verdanke ich der famosen Zeitschrift „Der Heilpraktiker“  (11/2014) wertvolle vertiefende Hinweise auf neue zwingende Nachweise dafür, dass sich gerade im hohen Alter die Persönlichkeit des Menschen noch einmal  stark positiv verändert wie zuvor nur im jungen Erwachsenenalter.

„Der Heilpraktiker“ verweist dankenswerter Weise auf eine Darstellung des Deutschen Wirtschaftsinstituts (DIW) in Berlin, wo ich solche Inhalte gar nicht vermutet gehabt hätte:

http://www.diw.de/de/diw_01.c.483172.de/themen_nachrichten/die_persoenlichkeit_aendert_sich_im_hohen_alter_staerker_als_bisher_angenommen.html

Ich erlaube mir, daraus einige Kernsätze wörtlich zu zitieren (Fettdruck von mir):

„Im hohen Alter verändert sich nach den Erkenntnissen einer deutsch-amerikanischen Untersuchung die Persönlichkeit der Menschen noch einmal ähnlich stark wie im jungen Erwachsenenalter. Das ist eines der zentralen Ergebnisse einer Studie auf Basis der Langzeitstudien „Sozio-oekonomisches Panel“ (SOEP) und „Household Income and Labour Dynamics in Australia“ Survey (HILDA Survey). „Unsere Studie widerlegt die unter Psychologen vorherrschende Ansicht, dass sich die Persönlichkeit im Laufe des Lebens immer stärker stabilisiert“, sagt die Psychologin Jule Specht von der Freien Universität Berlin, eine der Autorinnen und Autoren. Die Untersuchung wurde kürzlich im renommierten Journal of Personality and Social Psychology und als SOEPpaper 687 veröffentlicht.

Für ihre Untersuchung hatten Jule Specht von der Freien Universität Berlin und Maike Luhmann von der Universität zu Köln sowie Christian Geiser von der US-amerikanischen Utah State University die Angaben von insgesamt mehr als 23.000 Menschen analysiert, die von 2005 bis 2009 befragt worden waren. Die bevölkerungsrepräsentativen Daten zeigen den Wissenschaftlern zufolge, dass sich im jungen Erwachsenenalter bis zum Alter von 30 Jahren ebenso wie im Alter ab etwa 70 Jahren die Persönlichkeit der Menschen so stark ändert wie in keiner anderen Lebensphase.

Im jungen Erwachsenenalter verändern sich demnach vor allem Menschen, die dem sogenannten unterkontrollierten Persönlichkeitstyp zugeordnet werden können. Diese zeichnen sich durch eine geringe Verträglichkeit und eine geringe Gewissenhaftigkeit aus. „Etwa 40 Prozent der jungen Erwachsenen in Deutschland haben eine unterkontrollierte Persönlichkeit“, sagt Jule Specht. „Ab einem Alter von etwa 30 Jahren reifen aber viele dieser jungen Rebellen zu resilienten Persönlichkeiten heran.“ Solche resilienten Menschen seien leistungsfähig, hätten ein hohes Selbstwertgefühl und litten nur selten unter psychischen Problemen, betont die Wissenschaftlerin. „Ihre Persönlichkeit ist im Allgemeinen stabiler als die von unter- oder überkontrollierten Männern und Frauen.“ …

Überrascht hat die Forschenden, dass sich die Persönlichkeit im hohen Alter noch einmal stark verändert: Bis zu 25 Prozent der Menschen eines Persönlichkeitstyps ändern sich nach einem Alter von 70 Jahren noch einmal beträchtlich. „Anders als bei den jungen Erwachsenen folgen die Persönlichkeitsveränderungen bei den Senioren jedoch keinem typischen Reifungsmuster“, sagt Jule Specht. Vielmehr beobachteten die Psychologinnen und Psychologen im Untersuchungszeitraum von vier Jahren eine große Bandbreite von Persönlichkeitsveränderungen. Warum sich bei alten Menschen die Persönlichkeit so stark und divers entwickelt, darüber können die Forschenden bisher nur mutmaßen. Einige der möglichen Erklärungen dafür können sie jedoch bereits ausschließen. „Gesundheitsveränderungen, Großelternschaft und Renteneintritt scheinen eine überraschend kleine Rolle dabei zu spielen“, konstatiert Jule Specht. Derzeit untersucht sie, ob Veränderungen im Alltag der Senioren oder ob eine veränderte Einstellung zum Leben die Persönlichkeitsveränderungen auslösen.“

Diese Erkenntnisse besagen nicht, dass alte Menschen nicht auch stur und störrisch werden können. Das aber ist kein Schicksal. So wie junge Menschen in ihrer Reifung zu widerstandsfähigen (resilienten) Menschen drchaus auch auf ein günstiges Umfeld angewiesen sein können, spielt auch bei den Alten das richtige Umfeld eine Rolle, ob sie sich zu beachtlichen weisen Persönlichkeiten entwickeln oder nicht.

Bestes Beispiel war meine eigene Mutter, die die letzten knapp 20 Jahre ihres Lebens von einer früher durch Familie mit vielen Kindern, Haushalt und Geschäft überforderten Frau -die das auch täglich von früh bis spät  laut beklagte-  zu einer ungemein ausgeglichenen toleranten Frau wurde, der keine Mühe je zuviel war, bis sie voller Frieden mit fast 90 verstarb.