Runners High: Endorphine, Serotonin oder beide?
Erstellt von r.ehlers am Freitag 18. Juli 2014
Wenn der Langlauf so lang wird, dass er zur Quälerei zu werden droht, meldet sich der Körper des Sportlers mit geradezu sensationellen Reaktionen:
- Auf einmal tut nichts mehr weh. Nicht die Muskeln und die Gelenke. Auch fehlt es nicht mehr an Energie zum Weiterlaufen.
- Am Frappierendsten ist aber die psychische Reaktion: Man fühlt, dass das lange Laufen das schönste Erlebnis von der Welt ist. Hat man sich vorher vielleicht schon gequält und hat auch einen gequälten Gesichtsausdruck gezeigt, kann man jetzt ein Strahlen nicht unterdrücken.
- Dieses Hochgefühl begleitet einen weit über die Dauer des Laufs hinaus. Man steckt auch viele Stunden danach und sogar deutlich bis in den nächsten Tag hinein im bleibenden Nachempfinden der Laufwirkungen und ist noch voller Dank für diesen Zustand.
-runningshoes.org-
-blognar.ragnarrelaay.com-
Übersetzung: Das Hochgefühl beim Langlaufen ist real, und wenn Du es einmal erlebt hast, gibt es kein Zurück.
Um wirklich mitreden zu können, sollte man wirklich einmal losrennen und auch nach einer Stunde nicht aufhören damit, um zu erleben, dass dieses Hochgefühl einen erreicht. Ich selbst war viele Jahre lang regelrecht „süchtig“ danach. Warum ich irgendwann mal aufgehört habe, zweimal die Woche in die Spur zu gehen, weiß ich auch nicht mehr. Aber bis dahin war es mir im Leben nie dauerhaft so gut gegangen wie in dieser Zeit. Das Wichtigste ist, dass die Wirkung real beim Laufen einsetzte und mir wirklich eine dauernde positive Lebensstimmung für mehrere Tage einbrachte.
Generationen von Ärzten haben verkündet, dass dieses Hochgefühl der Langläufer (engl.: runners high) allein auf die Wirkung vom Körper selbst gebildeter opioidähnlicher Hirnsubstanzen zurückzuführen sei, nämlich der Endorphine. Sehr viele Experten tragen diese Falschinformation unreflektiert immer weiter. Erfreulicherweise haben jetzt endlich kluge Experten weiter geforscht und sind zu neuen überzeugenden Erkenntnissen gekommen.
Statt den Inhalt zu referieren, gebe ich einmal wieder, was die Gesundheitsredaktion des „Spiegel“ ermittelt hat:
„Mythos Endorphine: Weshalb uns Sport glücklich macht
Warum schnüren Millionen von Menschen in der Welt tagtäglich ihre Sportschuhe und laufen? Die einfachste Antwort liegt auf der Hand: weil es glücklich macht. Doch was genau löst das Gefühl von Wohlbefinden, Entspannung oder sogar Euphorie aus?
Seit mehr als 40 Jahren werden die Endorphine für die Glücksgefühle beim Sport verantwortlich gemacht – und das, obwohl diese Theorie schon seit Jahrzehnten umstritten ist. „Niemand weiß sicher, ob das Wohlbefinden beim Sport von Endorphinen ausgelöst wird“, sagt Fernando Dimeo, Sportmediziner an der Berliner Charité: „Es ist eine einfache, plakative Behauptung – die nicht zu beweisen ist.“
Vieles spricht sogar gegen die Endorphin-Theorie, denn die körpereigenen Morphine sorgen dafür, dass man „bei Verletzungen keine oder weniger Schmerzen verspürt“ , so Lutz Aderhold und Stefan Weigelt in ihrem Werk „Laufen“. Endorphine haben also eine ganz andere Aufgabe: Sie sind Schmerzstiller, keine Wohlfühler. Sie sollen Extremsituationen erträglicher machen. Aber dass sie auch dafür sorgen, dass man den Marathon mühelos bewältigt, ist unwahrscheinlich. „Das Glücksgefühl entsteht im Gehirn, nicht im Körper“, sagt Dimeo. Endorphine würden aber bislang nur im Blut nachgewiesen, ins Gehirn drängen sie nicht. …Wer Sport treibt, erhöht die Menge an Serotonin und anderen Botenstoffen wie Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin. Sie alle zusammen könnten den Rauschzustand beim Laufen auslösen; Serotonin wird oft auch als Glückshormon bezeichnet, da es die Stimmung aufhellt.“
Im Bericht ist auch noch die Rede von Mutmaßungen über die Wirkung rauscherzeugender Endocannabinoide und einem „Flow-Moment, der durch die Rhythmik des Laufens erzeugt würde. Das allerdings ist hoch spekulativ und m.E. nicht sinnfällig.
-strunz.com-
Dr. med. Ulrich Strunz
Erst wenige Experten, darunter immerhin der bedeutende Sportmediziner Dr. med. Ulrich Strunz, äußern sich zu meiner These, die ich auch in meinem Buch „Wohlfühlhormon Serotonin“, Via Nova 2012, veröffentlicht habe, dass die lange Dauer des Hochgefühls der Langläufer mit der Weckung von Serotonin zu tun haben muss. Strunz hat seine alte Meinung dahingehend korrigiert, dass „natürlich auch Serotonin“ bei der Entstehung der Wirkungen beteiligt sei.
Dabei ist das so sicher wie das Amen in der Kirche. Endorphine haben nur eine kurze Wirkung von etwa 20 Minuten. So lange können sie von uns den Schmerz fern halten. Dann aber meldet er sich in voller Stärke. Wenn der Körper beim Langlauf Schmerzreaktionen aufbaut, können diese durch aktuell im Hirn ausgeschüttete Endorphine ausgeblendet werden. Das dauerhafte Hochgefühl können sie dagegen nicht herstellen. Kein anderer Stoff, auch nicht andere anregende Botenstoffe wie Dopamin und Adrenalin, hat eine über Stunden hinweg anhaltende Wirkung.
Serotonin hat aber eine Halbwertzeit von 21 Stunden. Dies erklärt alles.
In meinen Augen ist diese Erkenntnis sehr wesentlich auch für das Verständnis der Wege zum körpereigenen Aufbau des Botzentoffes Serotonin durch seine Lockung als Esskontrollhormon: So wie eine kurze körperliche Beanspruchung nicht ein Wohlbefinden verursacht wie das des Langläufers nach langer Strecke, so führt auch die übliche langatmige Verdauung unter voller Nutzung des Arbeitsprogramms des menschlichen Magens nicht zu seiner Aktivierung. Im einen Fall wird Serotonin durch eine intensive körperlich Beanspruchung als Stress- und Belastungskontrollhormon gelockt, zum anderen als Esskontrollhormon durch eine nur durch den Verzehr nativer Kost auf leeren Magen erlebbare intensive Verstoffwechslung im Dünndarm.