Kein Schlaf ohne Serotonin
Erstellt von r.ehlers am Montag 4. November 2013
Sachbezug: Schlaf, Schlafstörungen, Schlafforschung, Schlafphasen, Serotonin, Melatonin, GABA
-de.wikipedia.org –
Ich lege jedem Leser den nachfolgenden Beitrag ganz besonders ans Herz. Er enthält nämlich wichtiges Wissen über den Schlaf, der eine bisher noch kaum verstandene ausschlaggebende große Bedeutung für unser Lebensglück hat. Was aber besonders zählt ist, dass jeder Mensch ein besseres Leben hat, wenn er die Regeln beachtet, die ihm täglich einen guten Schlaf sichern.
Der vorliegende Beitrag ist relativ lang. Weil er aber so viel wichtiges Neues bringt, rate ich Ihnen, sich die Zeit dafür zu nehmen, ihn ganz zu lesen.
1.Labormäßige Schlafforschung
Gut einschlafen, entspannt durchschlafen und erholt aufwachen wird in fast allen Berichten aus der Wissenschaft ausschließlich mit dem „Schlafhormon“ Melatonin in Verbindung gebracht –soweit sich die Forscher überhaupt um Erkenntnisse aus der Hormonlehre kümmern.
In meinen Augen ist es kaum zu verstehen, dass die sog. Schlafforschung, deren ein Hauptvertreter in Deutschland der außerplanmäßige Professor Dr. Jürgen Zulley aus Regensburg ist, einen weiten Bogen um die die gesicherten Erkenntnisse über das Schlafverhalten aus der Hormonlehre, der Endokrinologie, macht. Bevor ich auf das bedeutende Wissen aus der Endokrinologie eingehe, will ich vorab aber über einige interessante neue Entdeckungen von Zulley und der labormäßigen Schlafforschung berichten. Es ist allerdings außerordentlich beachtlich, was da bekannt geworden ist.
Der labormäßigen Schlafforschung verdanken wir das Wissen über die Schlafphasen, die sich in jeweils 90 Minuten andauernden Schlafsequenzen abspielen. Diese n90 Minuten sind übrigens nicht nur das Maß für die Chronologie des Schlafs, den zirkadianen Rhythmus, der nebenbei bemerkt auch die Dauer eines Fußballspiels angibt. Man hat die 90 Minuten andauernden wiederholten Schwankungen in der Gehirnaktivität und in der körperlichen Leistungsfähigkeit auch im Wachzustand ausgemacht. Dort spricht man von der ultradianen Rhythmik.
Was den Schlaf selbst angeht, ist für jeden Menschen wertvoll zu wissen, dass wir nur in dieser 90-Minuten-Folge das Ticket in den Schlaf einlösen können. Man spricht auch vom Schlaffenster. Wir tun gut daran, auf die Signale unseres Körpers zu hören, die die Öffnung des Tores in das Reich von Schlaf und Traum ankündigen. Wenn wir merken, dass unsere Aufmerksamkeit nachlässt, uns die Augenlider schwer werden und wir auch noch anfangen zu gähnen, wird es Zeit, uns in den nächsten 20 Minuten zum Schlafen zu legen. Wenn wir dann nicht durch Defizite von innen oder Interventionen von außen gestört werden, fallen wir wie unschuldige Kinder von selbst in den Schlaf. Viele Menschen glauben, vielleicht von ihrer Anlage her schlecht einschlafen zu können. Sie beachten aber nur nicht, dass sie außerhalb des Einschlaffensters einfach nicht in den Schlaf fallen können. Mit Gewalt geht da gar nichts. Verpasst man mehr als eines dieser Schlaffenster, kommt man in einen Zustand der Übermüdung, der ein lockeres Einschlafen fast unmöglich macht. Wer aus der Übermüdung heraus in den Schlaf findet, kommt am Ende kaum erquickt aus dem Schlaf heraus.
Wo schon die Rede ist von Störungen des Schlafs von außen, will ich dazu eine wichtige Bobachtung von Zulley einflechten: Ohrstöpsel (Ohropax, Otostop, E-A-R, Peltor), die bei extrem lautem oder schrägem Lärm unverzichtbar sind, sollte man nur ausnahmsweise benutzen. Sie erhöhen nämlich fast zwangsläufig die Geräuschempfindlichkeit. Wie alle Lebewesen sind auch wir Menschen selbst im Schlaf alert gegenüber potenziellen Gefahren. Wenn die Ohrstöpsel uns alle Wahrnehmung von Geräuschen nehmen, reagiert unser Gehirn darauf mit größerer Aufmerksamkeit und lernt, dann schon bei geringem Geräuschpegel anzuschlagen.
Im Wachzustand sendet das Gehirn kurzwellige Muster, die Betawellen von 14 bis 30 Hz, aus. In der Einschlafphase, wenn die Augen schon geschlossen sind, folgen Alphawellen von 8 bis 13 Hz. Diese werden von Thetawellen von 4 –7 Hz abgelöst, die die Hauptschlafphase bis hinunter in die folgende Tiefschlafphase begleitet, die nach und nach beim Übergang in den Tiefschlaf von frequenzarmen Deltawellen mit nur 0,1 bis unter 4 Hz und hoher Amplitude abgelöst werden. Dem folgt der seltsame Traumschlaf, der besonders durch schnelle Augenbewegungen (REM – rapid eye movement) und fast gelähmt wirkender Reglosigkeit des Körpers gekennzeichnet ist, während dessen das Gehirn Delta- und Thetawellen von 1 bis 4 Hz aussendet.
Die Einschlafphase dauert etwa eine halbe Stunde. In ihr verliert sich sehr bald die bewusste Wahrnehmung. Der Schlaf ist noch sehr störanfällig.
Im Hauptschlaf, der zeitlich mehr als die Hälfte der 90-minütigen Schlafsequenz ausmacht, erschlafft der Körper noch mehr.
Es folgt die wichtige Phase des Tiefschlafs, aus der man einen Schläfer durch Störungen von außen nur schlecht herausbekommt. Es liegt daher nicht an einer anderen mentalen oder psychischen Verfasstheit, wenn bei einem plötzlichen gewaltigen Lärm in der Nacht der eine Schläfer wach wird und der andere weiter schläft „wie ein Ratz.“ Der Durchschläfer befand sich im fraglichen Zeitpunkt nur in der Tiefschlafphase. Der andere hatte gar nicht von seiner Natur oder Verfassung her einen leichten Schlaf hatte. Er befand sich vielmehr in Schlafphase, in der er von außen leichter geweckt werden konnte.
Die Tiefschlafphase ist demgegenüber aber die Phase, in der sich ein kurzes Wachwerden (und alsbaldiges Wiedereinschlafen) von innen heraus ergeben kann. Dies ist auch die Zeit, der sich seltsame Ereignisse abspielen können wie das Sprechen im Schlaf, das Zähneknirschen (Bruxismus) und das seltsame Phänomen des Schlafwandelns. Man vermutet, dass der natürliche Mechanismus, der das nicht von außen verursachte Aufwachen auslöst, in diesen Fällen gestört ist. Jeder hat schon mal gehört, dass es gefährlich ist, einen Schlafwandler zu wecken. Stellen Sie sich einmal den in Witzen immer zitierten Fall vor, dass der Schlafwandler über den Dachfirst balanciert. So etwas gibt es aber in der Realität kaum. Dennoch ist die Störung des Schlafwandlers, aber auch die des im Schlaf Sprechenden keine gute Sache. Sie sind nämlich trotz ihrer wahrnehmbaren Aktivitäten regelrecht „weggetreten“.
Das Herausholen aus dem Tiefschlaf stört unwiederbringlich eine Reihe von unerhört wichtigen Vorgängen, was noch gar nicht allzu lange bekannt ist. Im Tiefschlaf läuft nämlich eine gewaltige Datenverarbeitung in unserem Gehirn ab, wie wir sie sonst nur von den leistungsfähigsten Computern kennen. Tagsüber haben wir jede Menge von Informationen aufgenommen, die in der vom Limbischen System gehörenden Hirnregion des Hippocampus zusammenlaufen und dort zwischengespeichert werden, bis sie im Tiefschlaf an die Hirnrinde (neofrontaler Cortex) gesandt werden, der der Langzeitspeicher unseres Gehirns ist. Im Hippocampus liegt danach eine Schnittstelle zwischen der Verarbeitung unserer Gefühle, für die das gesamte Limbische System verantwortlich ist, und unseren kognitiven Fähigkeiten, die ihre Zentren im Cortex des Großhirna haben.
Die Gesamtlänge des Tiefschlafs in einer Nacht liegt durchschnittlich bei 20 bis 30 Minuten. In den beiden ersten 90-Minuten-Zyklen ist nach Auskunft der Schlafforscher ein ausreichend langer Tiefschlaf besonders wichtig. In den späteren Schlafzyklen nimmt der Tiefschlaf ohnehin ab.
Höchst bedeutsam und noch rätselvoller als der Tiefschlaf ist der Traumschlaf, der bei Erwachsenen über die ganze Nacht gerechnet mehr als 1 ½ Stunden ausmacht. Bei Kindern und erst recht bei Embryos ist diese Zeitspanne sehr viel länger. Sie träumen fast die ganze Nacht hindurch. Gegen Ende des Schlafs verlängern sich allgemein die Traumphasen. Im Traumschlaf ist zwar das Bewusstsein (mit Ausnahme des Klartraums, s.u.) abgeschaltet, die vegetativen Funktionen des vollständig erschlafft da liegenden Träumers kommt aber gut in Schwung. Der Blutdruck steigt, Atmung und Herzschlag werden schneller. Der Körper einschließlich des Verdauungsapparats und der Genitale (männliche Erektion) wird stärker durchblutet. Es wird vermutet, dass das Hirn im Traumschlaf regelrecht aufgebaut, ausgebaut und repariert wird.
Manche Menschen glauben, dass sie gar nicht träumen. Das stimmt aber nicht. Sie können sich nur nach dem Aufwachen nicht an die Träume erinnern. Andere erinnern sich regelmäßig an lebhafte Träume, teils berichten sie auch über die höchst sonderbaren Klarträume. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass dem Träumer innerhalb seines Traumerlebens bewusst ist, dass er träumt. Ob diesem Phänomen eine gesundheitliche oder sonstige, etwa spirituelle, Signifikanz zukommt, ist nicht auszumachen.
Es wird behauptet, dass ältere Menschen oft gar keinen Tiefschlaf mehr erleben. Angeblich ändern sich im Alter die Schlafmuster. Sie schlafen danach nachts nur noch wenige Stunden und schlafen zum Ausgleich am Tag noch einmal ein bis zwei Stunden. Schon auf Grund meiner eigenen Erfahrungen und Beobachtungen sowie der Rückmeldungen von Tausenden Menschen auf meine Arbeiten über das „Wohlfühlhormon“ Serotonin (Via Nova, 2013), das ja auch das Wach- und Schlafkontrollhormon Serotonin ist, halte ich das für schlicht falsch. Dass jemand tags einnickt, wenn er nachts nicht schlafen konnte, ist kein Wunder und nicht auf ältere Menschen begrenzt.
2.Schlafen mit Hormonen
Angesichts dieser spannenden Informationen aus der Schlafforschung werden Sie sich sicher fragen, was ich daran noch herumkritteln will. Ich meine aber, dass es geradezu spektakulär falsch ist, sich so klug um die Phänomene des Schlafs zu kümmern, ohne das bedeutende Wissen hierzu aus der Endokrinologie über diese Themen heranzuziehen. Eins solche Missachtung des Wissens aus der Hormonlehre habe ich nur bei Psychologie und Psychotherapie gefunden, die in ihren Versuchen der Erklärung der psychischen Phänomene häufig ganz auf die Wirkung der doch unbezweifelbar vorhandenen Botenstoffe im menschlichen Gehirn verzichten.
Fangen wir doch gleich an mit dem Schlüsselhormon Serotonin, das als Wach- und Schlafkontrollhormon eigene wichtige Aufgaben im ganzen Schlafgeschehen hat, aber auch als Modulationshormon den Einsatz anderer bei Schlaf und Traum bedeutsamer Neurotransmitter steuert wie insbesondere das als eigentliches Schlafhormon bekannte Melatonin und Gaba.
Serotonin, das älteste aller Hormone, das schon bei den Ammoniten und Chordaten gefunden wurde, hat auch die bei weitem größte Breiten-und Tiefenwirkung. Es hat aber bei der Erweckung durch die Wissenschaften einen „Geburtsfehler“. Es wurde nämlich erst in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts gründlich erforscht, als die Forscher Pierpaolo und Regelson in völliger Unkenntnis der Rolle von Serotonin Melatonin als den „Regler aller Regler“ feierten. Nachträglich erhielt Serotonin noch das Etikett des Hormons der 90er („hormone of the nineties“).
In der Zusammenschau hat die Hormonlehre zum Verständnis der Abläufe vom Einschlafen bis zum Wiederwachwerden folgendes zu bieten:
- Ohne ausreichend Serotonin kann niemand einschlafen. Es leitet den Schlaf ein, wenn Melatonin noch gar nicht auf dem Plan ist. Das bedeutet, dass die Chronobiologie, die alle 90 Minuten das Schlaffenster öffnet, nicht von Melatonin gesteuert wird, sondern vom Serotonin. Die Wissenschaft beurteilte die Modulation der Schlaf-Wach-Rhythmik durch Serotonin zunächst nicht einheitlich. Heute wird seine Beförderung des Wachzustands von keinem Experten mehr in Frage gestellt. Aber die sich aufdrängende Schlussfolgerung, dass Serotonin in Wahrheit das Einschlafhormon ist, muss erst noch von den Fachleuten nachvollzogen werden.
- Eine halbe Stunde nach Beginn des allein durch Serotonin begleiteten Einschlafens bildet der Körper in der Zirbeldrüse aus vorhandenem Serotonin das Melatonin, das den Menschen in tiefere Schafregionen einsteigen lässt. Diesen Hauptschlaf bestimmt in der Tat nicht mehr das Serotonin, sondern das Schlafhormon Melatonin, das den Menschen bis in den Tiefschlaf hinunter leitet, wo dann
- das Dämpfungshormon Gaba übernimmt und den Schläfer eine Weile im Tiefschlaf gefangen hält. Wenn Sie schon wissen, wie wichtig der Tiefschlaf für unsere geistigen Funktionen ist, müssen Sie sich bestimmt wundern, dass Sie in den Veröffentlichungen über die Rolle des Schlafs in unserem Leben kaum etwas über die Rolle von Gaba hören. Gaba ist aber auch im Übrigen ein unverzichtbar wichtiges Hormon. 40 % aller Transmittertätigkeit im Gehirn wird Gaba zugeschrieben!
- Wenn der Schläfer aus dem Tiefschlaf fast bis zur Wachheit wieder aufgestiegen ist und in den nächsten Schlafast absteigen will, ganz sicher aber dann, wenn er in der Nacht richtig wachgeworden ist und wieder einschlafen will, braucht er erneut Serotonin . Es ist demnach als Schlafkontrollhormon nicht nur das Einschlafhormon, sondern auch das Wiedereinschlafhormon. Wem zerebral dieser Neurotransmitter fehlt, wacht wie viele Millionen Menschen unserer Zeit, die in gleicher Lage sind, immer wieder nachts auf und sitzt dann senkrecht im Bett, ohne wieder in den Schlaf zu finden.
- Im Traum, der nach neuerer Erkenntnis in Echtzeit abläuft, ist die Gefühlswelt des Menschen gefragt. Der Traum bietet dem Menschen nicht nur nicht nur ein Kino zum Angucken. Mit der Ankurbelung des vegetativen Nervensystems und der Aktivierung der weiten Gefühlswelt im Traum kommen auch die wichtigen Neurotransmitter wie u.a. Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, Testosterin und unverzichtbar auch das Kontrollhormon Serotonin auf den Plan.
- Wacht man aus dem Schlaf auf, ist wieder Serotonin gefragt, jetzt aber in seiner ebenso wichtigen Funktion als Wachkontrollhormon. Wie ohne Serotonin könnte ich mit meinen fast 73 Jahren noch jeden Tag ohne jeden Leistungsabfall und ohne jede Pause meinen Aufgaben nachgehen? Als ich noch meine Anwaltspraxis betrieb, bevor ich die native Kost und ihre Wirkungen kannte, konnte ich nicht einen Tag ohne „meine“„Mittagspause sein. Was ich heute mit einem solchen „Powernapping“ anfangen sollt, weiß ich nicht. Bei Kindern, die über noch viel geringere Kurzzeitspeicher für Informationen verfügen als Erwachsene, wird das wohl anders sein. Wenn sie sich mittags für eine Weile hinlegen (nicht länger als 30 Minuten, weil sich sonst Melatonin bildet und sie schlecht wieder wach werden), sollen sie viel besser lernen können. Das jedenfalls haben amerikanische Studien ergeben.
Sie werden mich fragen, warum es mir so wichtig ist, auf die bedeutende Rolle von Serotonin für einen guten Schlaf hinzuweisen. Das folgt nicht in erster Linie daraus, dass mir dies angesichts der vorhandenen wissenschaftlichen Daten als sehr plausibel erscheint. Der Hauptgrund liegt in meinen persönlichen Erfahrungen, die ich mit meiner Entdeckung der nativen Kost als Basis für den körpereigenen Aufbau des Botenstoffes Serotonin und bis zum heutigen Tage gemacht habe. Zudem habe ich in meiner Zeit als Entwicklungsleiter bei der Aminas GmbH und jetzt auch in der Leitung der Gesellschaf für das richtige Essen e.V. (GfE) so viele Bestätigungen gerade der Verbesserung des Schlafs (und der Wachheit tagsüber) gehört, dass ich den Zusammenhang nicht mehr bezweifeln kann, auch wenn die „große Wissenschaft“ den Hypothesen noch hinterher hinkt.
Ein Wort muss ich sagen zur Manie, Melatonin als Wundermittel für und gegen alles in Körper und Geist zu rekrutieren. Kurz und prägnant fasst der ärztliche Internetdienst Onmeda dazu folgendes zusammen:
„Noch vor ein paar Jahren galt Melatonin zudem als Wundermittel, das Alterungsprozesse verlangsamt und vor Krebs schützt. Viele dieser „Wunschwirkungen“ haben sich bislang nicht bestätigt – oder wurden widerlegt.“
http://www.onmeda.de/anatomie/melatonin.html
Tatsache ist indes, dass Melatonin einer der besten Antioxidantien ist. Die Bekämpfung freier Radikale durch Melatonin kann daher möglicherweise Krebs vorbeugen helfen. Aber Melatonin ist ja nicht das einzige Antioxidans! Melatonin ist im Ausland, damit über das Internet auch in Deutschland ohne Verschreibung frei verkäuflich. Die Ärzte von Onmeda weisen darauf hin, dass die unkontrollierte Einnahme Kopfschmerzen, Albträume und Schwindel auslösen könne. Sie halten es aber für ein probates Schlafmittel, wenn sie es gezielt verschreiben. Wenn Sie hier über die gesicherten Ergebnisse aus Schlafforschung und Endokrinologie aufgeklärt sind, und wissen, dass Melatonin erst hergestellt wird, wenn der Mensch dank Serotonin schon eingeschlafen ist, wissen Sie es schon besser als diese Ärzte. Schläft man mit Melatoninpillen besser ein, beweist das die nichts als die Macht der Einbildung (Placebo).
Bei Onmeda, aber auch bei Wikipedia zum Stichwort Melatonin kursieren weiter die alten Geschichten, dass Melatonin schon bei Dunkelheit in der Zirbeldrüse produziert und in die Blutbahn abgegeben würde. Es sei das Melatonin im Blut, das müde mache. Das aber sind nur leere Annahmen. Die Verhältnisse im hohen Norden, wo es im Winter nie hell wird, zeigen, dass ein gut ausgeschlafener Mensch auch bei Dunkelheit über viele Stunden lang wach bleibt. Den Mechanismus, der die Synthese von Melatonin in der Zirbeldrüse oder anderswo im Körper durch bloßes Ausschalten des Lichts auslöst, gibt es nicht!
Die Einnahme von Melatonin soll lt. Onmeda tatsächlich hilfreich sein gegen den Jetlag. Die Ärzte preisen Melatonin weiter als Taktgeber für die innere Uhr und Regler des gesamten Schlaf-Wachrhythmus. Das ist beileibe nicht länger haltbar.
Welche Blüten die nicht fundierten Behauptungen über die Wunderwirkungen von Melatonin treiben, zeigt sich im Fall der sog. Nachtmilch. Die Anbieter sprechen davon, dass die Milch der in der Nacht gemolkenen Kühe sog. Nachtmilchkristalle enthielte, die mehr Melatonin enthielte als die am Tage gemolkene Milch. Und schon wird behauptet, dass diese Milch besser schlafen ließe. Die Ärzte bei Onmeda weisen aber zu Recht darauf hin, dass die Mehrmenge an Melatonin in der Nachtmilch so gering ist, dass man schon 2 Millionen Portionen des Nachtmilchpulvers zu sich nehmen müsste, um eine Mehrmenge von 2 Milligramm Melatonin in den Körper zu kriegen. Und was davon kommt davon im Gehirn an? Niemand macht sich Gedanken darüber, ob und in welcher Menge die sperrigen Melatoninmoleküle überhaupt den Weg durch die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn finden können. Serotonin – Summenformel C10H12N2O – schafft dies bekanntlich gar nicht. Selbst sein Hauptbaustein L-Tryptophan schafft es nur unter ganz besonderen Umständen. Und wie ist das bei Melatonin – Summenformel C13H16N2O2? Ist die Verbindung etwa wegen der Vergrößerung des Serotoninmoleküls um weitere 6 Atome Kohlenstoff, 4 Atome Wasserstoff und 1 Atom Sauerstoff etwa „geschmeidiger“ geworden? Dennoch schwärmt eine ganze Reihe von Menschen von den großartigen Wirkungen der Nachtmilch. Wenn das aber nicht der reinste Placeboeffekt ist, wann gibt es ihn dann?
Mir tun die Bauern und Bäuerinnen leid, die wegen der Nachtmilch noch früher aus den Federn müssen als ohnehin schon. Bei ihnen gerät doch der ganze Tag- und Nachtrhythmus durcheinander, sodass sie gleich von der Nachtmilch naschen müssten, die sie gerade gemolken haben – wenn sie denn die angenommene besondere Wirkung hätte. Sie haben letztlich nur den einen Trost, dass sie wohl einen besseren Preis für die Milch erzielen können. Der Verbraucher zahlt jedenfalls bei Amazon 11,43 € für 100 g Nachtmilchkristalle (für eine „Anwendung“ braucht man etwa 12 Gramm) – was für ein Geschäft! Die Menge an Kristallen reicht danach für etwa 8 Tage. Rund 45 € im Monat für diese angebliche Schlafhilfe zu zahlen, tut schon den meisten Hilfesuchenden weh. Traurig, wenn ihnen dann tatsächlich gar nicht geholfen wird!
Der Kunde kann alternativ in der Versandapotheke 60 Stück 1,5 mg-Melatoninkapseln zum Preise von 14,22 € kaufen
(http://www.medpex.de/hilfsmittel/melatonin-1-5-mg-kapseln-p4128530) ,
um zu sehen, ob er tatsächlich besser schläft. Obwohl bei den Kapseln noch ein wenig Hopfen und Melisse dabei ist, die beruhigend wirken sollen, reichen die 60 Kapseln immerhin einen Monat lang aus, wenn man entgegen der Empfehlungsanleitung nicht bei einer Kapsel am Tag bleibt, sondern, wie Anwender berichten, auf 2 Kapseln je Einnahme geht. Wenn der blinde Glaube an das Produkt dann allerdings mal nachlässt und die Erfolge ausbleiben, sind auch rd. 15 € in Monat viel zu viel! Aber was kümmert das den Anbieter, der überhauptkeine Ahnung von den naturwissenschaftlichen Zusammenhängen hat!
Ganz zum Schluss noch ein zusammenfassender Hinweis auf den fehlenden Wert von Schlafmitteln, gleich welcher Art:
Wenn Sie spätestens nach der Lektüre des vorliegenden Beitrags die physiologischen Abläufe des Schlafs und ihre Verlinkung mit der Wirkung der Botenstoffe, besonders Serotonin, Melatonin und Gaba, kennen, können Sie nicht mehr auf die dumme Idee kommen, den Schlaf künstlich herbeirufen oder beeinflussen zu wollen. Alles was den natürlichen Schlafabläufen dient, ist selbstverständlich von Vorteil. Wenn Ihnen aber ein Weißkittel vormacht, dass man eine chemische Verbindung gefunden hätte, die den Schlaf insgesamt oder wichtige Phasen wie das Einschlafen verbesserten, fragen Sie ihn doch einmal nach den chemischen Wirkabläufen im Gehirn! Sie werden sehen, dass Sie damit abgespeist werden, dass sich die Wirkung in wissenschaftlichen Studien erwiesen hätte, die Sie sowieso nicht verstünden. Nach all den Jahren der Werbung für Medikamente haben Sie auch verinnerlicht, dass es „keine Wirkung ohne Nebenwirkung“ gibt. Wo im Körper aber diese Schadwirkungen ansetzen, wird Ihnen niemand sagen (und wenn er es wüsste). Selbst wenn Ihnen am Ende ausreicht, dass Schlafmittel erfolgreich dafür sorgen, dass man nachts nicht wach im Bett liegt, der Körper wenigstens still liegt und sich keine quälenden Gedanken in Ihr Bewusstsein schieben, werden Sie wissen, dass sie so keinen „gesunden“ Schlaf erleben können. Die wichtigen Funktionen der Regeneration des Körpers, der nächtlichen Speicherung tags aufgenommener riesiger Datenmengen und die emotionale Aufarbeitung im Schlaf finden nicht oder nur unvollkommen statt. Kritische Ärzte reden davon, dass Schlafmittel Ihnen nur einen wertlosen Ersatzschlaf erlauben.
Wenn irgend möglich, lassen Sie daher unbedingt Schlaftabletten weg. Probleme mit dem Schlaf sind von nicht geringerer Bedeutung als Asthma, Rheuma oder Gicht. Leben Sie natürlich, um Ihrem Körper zu helfen, sich selbst neu einzurichten, um insbesondere jede Nacht einen erquickenden Schlaf zu erleben. Hilft das nicht, gehen Sie zum Therapeuten und lassen sich von ihm erklären, was er für sie tun kann und warum das nach seiner Meinung voraussichtlich helfen wird. Einfach glauben sollten Sie auch dem Therapeuten nichts, besonders dann nicht, wenn Sie sehen, dass das Wissen über die Bedeutung von Serotonin für den Schlaf bei ihm noch nicht angekommen ist.