Auch Politiker müssen in Haft, wenn sie Gerichtsurteile missachten
Erstellt von r.ehlers am 28. August 2018
„Justiz in Bayern läuft Amok. Erzwingungshaft gegen Amtsträger wegen Abgasen“ –
so betitelt die (neue) Redaktion des Internetmediums NEOPresse am 27.8. 2018 über die von der Süddeutschen Zeitung berichtete angebliche Überlegung der „bayerischen Justiz“, den bayerischen Ministerpräsidenten Söder und den Umweltminister Huber in Erzwingungshaft zu nehmen, um gerichtliche Entscheidungen durchzusetzen, die die Landesregierung bewusst missachtet. Angeblich sollen die Gerichte erwägen, den Europäischen Gerichtshof um die Genehmigung zur Ausübung der Zwangshaft zu bitten.
Bild: Radiogong.de
NEOPresse wörtlich:
„Spitzenpolitiker auf dem Papier mit einem Bein im Knast
Das wiederum bedeutet, dass Spitzenpolitiker in Bayern mit einem Bein im Knast stehen, wie es etwas despektierlich bei Beobachtern heißt. Denn dem vorliegenden Schreiben nach könnten sogar Wahlbeamte wie Marcel Huber oder Markus Söder, in der amtierenden bayerischen Landesregierung Umweltminister und Ministerpräsident, betroffen sein könnten.
Die Behörden [in Wahrheit sind hier die Gerichte selbst gemeint, RE] möchten sich offenbar nicht mehr „vorführen“ lassen, so heißt es. In München würden die Grenzwerte für die Emission von Stickstoffoxid bereits seit vielen Jahren überschritten. Daher wollen die Behörden [hier sind tatsächlich die Landesbehörden gemeint, RE] für die Stadt dafür sorgen, dass die Luftreinhaltepläne verändert würden. Zudem planen die Behörden somit, die Dieselfahrverbote auch in und für München nun in Angriff zu nehmen und zumindest vorzubereiten, wie es heißt. Das Verwaltungsgericht München und der Verwaltungsgerichtshof in München jedenfalls hatten dies mit entsprechenden Urteilen bereits verlangt. Die Frist lief 2017 ab. Nichts ist geschehen.
Tatsächlich verhängte der Verwaltungsgerichtshof sogenannte Zwangsgelder in Höhe von 10.000 Euro. Wie es hieß, zahlte die Landesregierung (natürlich die Steuerzahler, hier wiederum an sich selbst, die Landeskasse), setzte von den verlangten Maßnahmen allerdings keine um. Nun schreibt der Verwaltungsgerichtshof, dass nur die Erzwingungshaft gegen Amtsträger vor diesem Hintergrund erfolgversprechend sein würde.
Der EuGH hatte bereits 2014 betont, dass die nationalen Gerichte „jede erforderliche Maßnahme“ anordnen müssten, um die Luftreinhaltepläne durchsetzen zu können. Die Staatsregierung in Bayern jedoch ist noch vollkommen gelassen. Verständlich – aber immerhin: Die Schadenfreude scheint groß zu sein.“
Was für ein Wahnwitz! Im Rechtsstaat hat die Exekutive die Entscheidungen der Gerichte ohne Wenn und Aber zu befolgen. An diesem Punkte hat unser Rechtsystem im Vergleich zu den angelsächsischen Rechtssystemen eine bedauerliche Schwäche. Es gibt bei uns nämlich nicht den Straftatbestand des „Contempt of Court“. Ein Verfahrensbeteiligter oder auch ein Dritter, der sich einer gerichtlichen Entscheidung widersetzt, wird mit Zwangsmitteln zur Einhaltung gezwungen und muss sogar mit einer heftigen Kriminalstrafe rechnen.
Offenbar gibt es im nach Europäischem Recht eine Möglichkeit zur zwangsweisen Durchsetzung von EU-Recht auch gegen Amtsträger. Nicht das ist ein Skandal, sondern die Ignoranz der Redaktion der NEOPresse, die „Spitzenpolitiker“ juristisch für unantastbar hält.
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